14. Landesherrliches Weisungsschreiben
Die Landesherren entwickelten für ihre schriftlichen Weisungen an Beamte und Untertanen vielfältige Schriftgutformen, unter denen Reskript und Dekret wegen ihrer Häufigkeit herausragen. Während das Reskript aus dem mittelalterlichen Mandat heraus entstanden ist, bildet das Dekret einen völlig neuen, knapp und autoritär gefassten Typus, der erst ab der Frühen Neuzeit (1500-1800) vorkommt. Er soll hier vorgestellt werden. Das Dekret ist unverkennbar, weil es im Kopf die auffällige, zweizeilige Überschrift „Decretum – Serenissimi Domini Ducis Electoris etc.“ trägt. Der Name des Regenten wird dabei nicht genannt. Obwohl der Weisungscharakter eindeutig ist, wird vom Regenten wie von einem Abwesenden in der dritten Person gesprochen: „Ihre churfürstliche Durchlaucht … haben sich entschlossen“. Im Gegensatz zur dritten Person ist das Dekret jedoch stets vom Landesherrn eigenhändig unterschrieben. Das Dekret wurde in Bayern bevorzugt bei Personalernennungen und in Besoldungsfragen verwendet.
Erläuterung: Beim abgebildeten Dekret geht es um die Witwenversorgung eines verstorbenen Hofbassisten. Pensionsbezüge stellten damals einen Gnadenakt des Landesherrn dar, denn gesetzliche Pensionsansprüche gab es nicht. Hier wird auf die große Kinderzahl der Witwe abgehoben und zugleich verlangt, der älteste Sohn möge in die Hofkapelle zum Choralgesang eintreten. Formal gesehen ist der Geheime Rat der Aussteller des Dekrets und die Hofkammer der Empfänger, denn diese hatte die Pensionszahlung auszuführen. Unter dem Text links steht die eigenhändige Unterschrift des Kurfürsten Max [III.] Josephs, weiter unten die des 1751 amtierenden Geh. Ratskanzlers: „v(idi)t F(ranz) A(ndre) F(reiherr) v(on) Praidlohn“, ganz unten rechts die Unterschrift des das Dekret verfassenden Sekretärs in der Geh. Ratskanzlei „Franz Michael von Solaty“. Der Kreis oben links ist ein Stempelabdruck als Nachweis, dass die Stempelgebühr (hier: III Gulden) entrichtet wurde.
Transkription: Decretum Seren(issi)mi Domini Ducis Electoris etc. Ihre churfürstliche durchlaucht unser gnädigster herr etc. haben auf demüthigistes Anlangen Christinae des iüngsthin verstorbenen unnd gewest churfürstlichen hofpassisten Johan Michael Lopts hinterlassenen wittib sich huldreichist entschlossen, erstgedachter wittib als ein gnadengelt von ihres manns heimbgefahlener besoldung ainhundertfünffzig gulden aus besonderen gnaden und in ansechung ihrer habenter viller künder mit disem expressen vorbehalt gnädigist zu bestimmen, das ihr älterer sohn, da er im choral und capellen allerdings zu gebrauchen, als churfürstlicher hofcapellenaccessist dienst zu thuen schuldig und gehalten sein solle, auf welchen alsdan bey fernerem wohlverhalten und sich ergebenter vacatur höchstselbe noch weithers in gnaden zu reflectieren geneigt seynd. Die churfürstliche hofcammer hat dahero in conformitet dieser genommenen gnädigsten entschliessung ihr wittib disen betrag in quatemberlichen ratis von zeit zu zeit abfolgen zu lassen, und höchstgedacht ihre churfürstliche durchlaucht seint anbey dero hofcammerpraesidenten, directori und rhäten mit gnaden wohl- unnd gewogen. München, den 7. juny anno 1751.“
Max Jos(eph) Churf(ürst)
v(idi)t F(ranz) A(ndre) F(reiherr) v(on) Praidlohn
Franz Michael von Solaty