9. Gerichtsbuch oder Verhörprotokoll
Aus dem Rechtsverfahren des Oberbayerischen Landrechts als solchem ergibt sich nicht zwingend, dass ein Gerichtsbuch (=Gerichtsprotokoll) geführt wird, obwohl bei der Abhaltung eines Gerichtstags ein Gerichtsschreiber anwesend sein musste. Vor allem durch Verfahrensordnungen und administrative Maßnahmen schärfte der Landesherr die Führung von Gerichtsbüchern ein, um die Amtsführung und Rechnungslegung der Richter besser überwachen zu können. Die Reformation des Oberbayerischen Landrechts von 1518 geht ganz selbstverständlich von der Existenz von Gerichtsbüchern aus; dennoch sind Gerichtsbücher aus so früher Zeit kaum überliefert. Erst die intensive Überwachung der Land- und Hofmarksrichter seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und insbesondere unter Herzog Maximilian I. führte zu einer konsequenten Führung von Gerichtsbüchern (Verhörprotokollen). Leider sind im 19. Jahrhundert die Verhörprotokolle schon bei Gericht in großem Umfang vernichtet worden, weil man sie nicht für aufhebenswert hielt. Das Gerichtsbuch = Verhörprotokoll hat zwei Aufgaben: die Protokollierung von Prozessen der Strafgerichtsbarkeit und der streitigen Gerichtsbarkeit. Die große Bandbreite der Protokollierungen aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde in die sog. Briefprotokolle eingetragen (siehe dort).
Erläuterung: Gezeigt wird ein Verhörprotokoll des Klostergerichts Niederaltaich über sein Amt Kirchberg. Nachdem die Strafkompetenz der Niedergerichte und damit auch des Klostergerichts Niederaltaich nur erlaubte, geringfügige Straftaten in eigener Kompetenz abzuurteilen, wurde der vorliegende Fall einer (vermuteten) tätlichen Bedrohung dem Umritt des herzoglichen Rentmeisters (des Rentamts Straubing) vorbehalten. Bei seinem Umritt wird dieser dann den Fall behandeln und die Strafe verhängen.
Transkription:
„Vorkhomen denn 2. octobris
1659
Betrohung
Georg Hanna zw Hangerleuten hat in verhör vor der grundtobrügkheit gegen Matheusen Weber zw Eberhartsreith, als sy einer wisen halber vorgestandten, ungescheucht mit truzigen geperdten geredt: „Du, Weber, wür haben die suppen noch nit mit einander geessen, ich will dürs noch woll salzen“. Ob sich zwar Hanna dahin entschuldigt, er habs in kheinem argen gemeint, begehre auch dem Weber nichts unliebigs zuezemuetten, mit welchem anerbietten der Weber auch zefriden, ist dannoch der Hanna seiner unbedachtsamen troheworth dem churfürstlichen Landtgericht ins umbreithen vorgeschriben.
Arresst
Bärtlme Peurl und Wolf Leutl, beede zw Abbtschlag, sein ires gottshauß zum öfftern geschafften ausstandts biß zw würkhlicher contentirung in arresst genomen worden.
Dermallen Hanns Strasser, gewester khürchenbrobst, ungehorsamb ausgebliben …“