10. Briefprotokoll
Die Briefprotokolle (auch Notelbücher oder Verfachbücher genannt) sind das Gegenstück zu den Verhörprotokollen. Sie haben die Aufgabe, die Rechtshandlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit in Protokollform aufzunehmen. Der bayerische Landesherr unterwarf nach 1500 immer mehr Rechtsgeschäfte der Landesuntertanen einem Beurkundungszwang. Diese mussten sich an die für sie zuständige Gerichtsobrigkeit (meistens ein Niedergericht) wenden und dort das Rechtsgeschäft beurkunden lassen. Zu der Urkundenausstellung trat stets eine Protokollierung hinzu, damit bei der Gerichtsinstanz das Rechtsgeschäft dokumentiert blieb. Themen der Beurkundung und Protokollierung waren: Kauf, Quittung, Schuldbrief, Kapitalaufkündigung, Hofübergabe, Altenteilvertrag, Heirat, Testament, Erbteilung, Geburtsbrief usw. Der Eintrag konnte in freier Formulierung geschehen oder aber (vor allem im 17. und 18. Jahrhundert) eine Abschrift der ausgestellten Urkunde wiedergeben. Für geringfügige Rechtsgeschäfte genügte oft der reine Protokolleintrag. Die im Allgemeinen gut überlieferten Briefprotokolle sind heute eine der wichtigsten Quellen für alle genealogischen sowie Hof- und Ortsforschungen. Leider besitzen die wenigsten ein Namenregister, so dass ihre Benützung stets einen erheblichen Zeitaufwand erfordert.
Erläuterung: Es ist das Protokoll über eine Heiratsabrede wiedergegeben, die vor dem Klostergericht Andechs stattfand. Die Überschrift „Widersperg“ (Widdersberg bei Herrsching am Ammersee) bezeichnet den Wohnort des Bräutigams, der Randeintrag in Auszeichnungsschrift „Hannsen Wagners Heurat“ die handelnde Person und die Art des Rechtsgeschäfts. Hier liegt noch reine Protokollformulierung vor, keine Urkundenabschrift.
Transkription:
„Widersperg
Actum den 7. augusti anno 1600. Ist ain erlicher heurath beschlossen worden zwischen hernachbemeldten persohnen, nemblichen dem erbaren Hannsen Wagner (gestrichen: Widenmann) zue Widersperg allß preuttigamb an einem, und dann der auch erbaren junckhfrawen Anna Schlitthawerin, weilundt herrn Christophen Schlitthawers, gewessten pfarrers zue Reichlingen, seligen hinderlassener dochter andersthaillß, dergestalt unnd also, er Hannß Wagner verheurath obgemeldter seiner versprochenen haußfrawen erstlich sein hauß unnd hoff mit aller seiner zue- unnd eingehörung, zue dorff unnd feldt, deßgleichen an geschiff unnd geschirr, an khleinem unnd grossem, unnd was zue der herberg gehörig ist, alles zue Widersperg gelegen, nichts darvon ußgenommen, doch mit vorgeendem consens unnd genediger bewilligung irer g(naden) meines genedigen herren zum heiligen berg Andex. Entgegen bringet obgemeldte Anna Schlitthawerin ermeldtem irem khinfftigen eewirth zue rechtem heuratguett zue benandtlichen 250 f. par gelts sambt erbarer fertigung irem stannd gemeß.
Da sich dann nur nach dem willen deß allmächtigen inkhinfftig über khurz oder lannge zeit begeben unnd zuetragen solte, daß eins oder daß ander uß hieoberzelten beeden versprochenen eeleitten mit todt abgeen solte, so solle daß in leben beliebene eegemecht …“