5. Wappenbrief
Als Beispiel für eine ganze Reihe von Urkunden-Sonderformen (Notariatsinstrument, Fehdebrief, Schmähbrief u.a.) ist hier der Wappenbrief gewählt. Wappen waren anfänglich typische Rechtssymbole des Adels und von Korporationen wie Städten und Märkten. Der soziale Aufstieg vieler nichtadeliger Personen machte es notwendig, auch an diese Kreise Wappen zu verleihen. Was ursprünglich ein Vorrecht des deutschen Königs war, maßten sich bald auch die Herzöge an, und schließlich durften die sogenannten Hofpfalzgrafen kraft ihres Amtes Wappen verleihen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Wappenverleihung und der sie begründende Wappenbrief sehr kostspielig waren. Wichtigster Bestandteil des Wappenbriefs ist die bildliche, farbige Darstellung des Wappens, die in der Regel in die Mitte der Urkunde eingerückt ist und in der Barockzeit zu einem kleinen Gemälde ausgestaltet werden kann. Überhaupt erfahren die Wappenbriefe größtmöglichen Dekor, an dem Schreibmeister und Miniaturisten mitwirkten.
Inhalt (Kurzregest): Herzog Wilhelm V. von Bayern verleiht an Lazarus Pichler, Diener des bayerischen Hofkammerpräsidenten Christoph Neuburger zu Pasing, ein Wappen: Auf blauem Grund ein grüner Dreiberg als Schildfuß, aus dem rote Flammen schlagen, in denen ein aufgerichteter weißer Phönix mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem Schnabel verbrennt. Geschehen in München am 28. Juni 1597.
Erläuterung: Herzog Wilhelm V. von Bayern erteilte im Jahr seiner Abdankung dem Diener seines verdienten und hochgeschätzten Hofkammerdirektors Christoph Neuburger zu Pasing ein Wappen. Der mit Helm, Helmzier und Helmdecken versehene Wappenschild ist in einen üppigen Renaissance-Rahmen gestellt. Schrift und grafische Gestaltung der großformatigen Urkunde sind von höchster Qualität, so dass man von einer Prunkausfertigung sprechen kann.
Transkription:
„Von gottes genaden wir Wilhelm pfaltzgrave bey Rhein, hertzog in Obern- und Nidernbayrn etc. bekhennen als ainiger regierender fürst und thuen khundt allermenigelich mit disem offnen brief. Wiewol wir aus angeborner güette unnd fürstlicher miltigkait jedertzeit genaigt seind, allen und yegelichen unsern underthanen, lieben und gethreuen unnser fürstliche gnad mittzethaillen, so ist doch sollich unser gemüett vil mehr begürlicher und billich, diejenigen, so sich gegen unns und den unsern allwegen täglicher gehorsambister dienstbar- und willigkait halten und ertzaigen, auch in tugenten und guetten, erbarn, redlichen sachen heben und gebrauchen, zue befürdern und zu begnaden genaigt. Demnach haben wir angesehen und bedacht unsers gehaimen raths, hofcammerpraesidenten, verwaltern der haubtmanschafft Burkhausen und lieben gethreuen Christoffen Neuburgers zue Pasing dienner Latzarusen Pichlers redlichait, erbarkait, guett sitten, tugenten und schicklichait, darinnen er unß berüembt worden, auch auf sein unnderthenigiste bitt und umb der gehorsambisten, gethreuen, vleissigen diennste willen, dartzue er sich gegen unns unnd unserm loblichen hauß Bayrn zu thuen underthenigist anerbotten, er auch ain solliches wol thuen mag, kan unnd solle. Unnd darumben mit wolbedachtem muett, guettem rath unnd rechtem wissen denselben Latzarusen Püchler und seine eeleibliche erben von seinem namen und stammen geborn mit ainem clainat und wappen, mit namen ainen plaw- oder lasurfarben schildt, in dessen grundt ain grien gepichleter perg, aus demselben entsprüngt und erscheindt ain rott flamment prinnent hohes feur, in wellichem ain weiß- oder silberfarber fenix mit offnem schnabl unnd außgebraitten flüglen seiner angebornen artt nach sich selbsten darinnen verbrennen thuett. Auf dem schildt ainen stechhelm mit plaw- oder lasur- unnd weiß- oder silberfarbn helmdeckhen, wellicher hellm mit ainer guldenen königelichen cron schön gezieret ist, aus derselben erscheindt ebenmessig ain prinnenter feurflammen, darinnen ain fenix mit offnem schnabl, außgebraitten flüglen unnd sich auch darinnen verbrennen thuett, allermassen unnd gestalt, wie unndten im schildt vermeldet unnd solliches wappen und clainat inmitten dises unnsers fürstlichen briefs gemahlet und mit farben aigentlich außgestrichen ist, begnadet, begabet, verlihen unnd gegeben. Verleihen und geben ime dises auch also aus fürstlicher macht wissentlich unnd in crafft diß brieffs unnd wellen, das nun hinfüron in eewige zeitt obgemelter Latzarus Pichler, seine eeleibliche erben und derselben erbenserben berüertes wappen unnd clainat haben, füeren unnd sich dessen in allen und jegelichen ehrlichen, redlichen sachen und geschefften zue schimpff und ernst, in streittten, stürmen, kempffen, gestechen, gefechten, veldzügen, paniern, getzelten, aufschlagen, insiglen, pettschafften, clainotern, begrebnussen unnd sonnst an allen enden unnd gerichten nach iren ehren, notturfft, willen unnd gefallen, als sich zue sollichem geburtt unnd frommen, redlichen leüthen wol zuesteet, ohne allermenigelichs irrung unnd hündernus gebrauchen und geniessen mögen. Sie sollen auch also damitt in eewige zeit wappensgemesse leüth sein, haissen unnd verbleiben. Alles gethreulich ohne geverde. Doch anndern, die in sollichermassen hiebevor gewappnet weren, an denselben iren wappen und clainat in allweeg unschedlich unnd unvergriffenlich. Dess zue warem urkhundt unnd eewiger gedechtnus haben wir mergenanntem Latzarußen Pichler disen wappenbrief mit unnserm anhanngenndem secretinsigl besiglet. Geben unnd geschehen in unnser haubtstatt München, am tag Petri et Pauli den neunundtzwaintzigisten juny nach Christi unnsers lieben herren unnd seligmachers genadenreichen geburtte im aintausentfünffhundertunndsibenunndneuntzigisten jare.“