15. Die Schreibmaschine erobert die Behördenkanzleien
Man muss geradezu von einer Revolution sprechen, als ab 1900 die Schreibmaschine auch in den Behördenkanzleien immer mehr in Gebrauch kam und die von Hand geschriebenen Ausfertigungen verdrängte. Sie bot vor allem die Möglichkeit, in einem Arbeitsgang bei der Reinschrift mit Hilfe von Kohlepapier auch Durchschläge zu erstellen. Nun hielt eine große Gleichförmigkeit in der Aktenwelt Einzug. Der Gebrauch der Handschrift reduzierte sich immer mehr auf die Fertigung von Aktenvermerken und sonstige Notizen.
Erläuterung: Bei dem gezeigten, in zwei Spalten beschriebenen Schriftstück sind zwei Beschreibungsphasen zu unterscheiden: der ursprüngliche Text des Außenministeriums und die später beim Innenministerium angebrachten Vermerke. Unser Schreiben gibt sich durch eine entsprechende Überschrift als „Abschrift“ zu erkennen. Der Absender Staatsministerium des K. Hauses und des Äußern nennt sich in einem gedruckten Briefkopf links oben. Empfänger der Ausfertigung (= Original) war die Regierung von Oberbayern, die unter dem Briefkopf genannt wird. In der rechten Spalte unter dem Datum ist durch Stempelaufdruck „U.U. dem K. Staatsministerium des Innern.“ der Empfänger der Abschrift (= Schreibmaschinendurchschlag) genannt und zur Beglaubigung der Stempelabdruck des Ministeriums des Königlichen Hauses und des Äußeren dazu gesetzt. Statt einer eigenhändigen Unterschrift findet sich mit Schreibmaschine eingefügt der Unterschrift-Ersatz: „gez. Dt. Graf von Hertling.“ Georg Graf von Hertling war von 1912 – 1917 Staatsminister des Kgl. Hauses und des Äußern. Nach dem Eintreffen dieser „Abschrift“ beim Innenministerium am folgenden Tag wurden einige Kanzleivermerke beim Innenministerium hinzugefügt. Der Einlauf- oder Präsentationsvermerk des Innenministeriums findet sich in der linken Spalte als bläulicher Stempelaufdruck: „K.B. Staatsministerium des Innern. Praes: 5-AUG 1914 Nr. …….“ Als Nummer ist von Hand „2121 a 5“ eingetragen. Neben dem Stempel des Außenministeriums finden sich mehrere Buchstaben von rotem Farbstift; sie könnten als „M(inister) Fr(eiherr) v(on) S(oden)“ interpretiert werden und bezeichnen diejenige Person, der das Schreiben zugestellt und die Bearbeitung übertragen wurde, hier wegen der Brisanz des Falles dem Innenminister selbst. Unter dem Einlaufstempel des Innenministeriums steht die handschriftliche Verfügung, wie auf diese Mitteilung reagiert werden soll. Sie ist von Innenminister Soden(-Fraunhofen) eigenhändig unterschrieben, der Text selbst aber stammt von anderer Hand, vermutlich von einem Referenten. Die Familie der Herzöge von Leuchtenberg besaß die russische Staatsbürgerschaft und galt bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs formal als Staatsfeind.
Transkription:
„Abschrift. | |
Nr. 21734. | München, den 4. August 1914. |
Koenigl. Bayerisches | U.U. |
Staatsministerium | dem K. Staatsministerium des Innern. |
des | |
Koenigl. Hauses u. des Aeussern | |
_________________ | |
An | |
die K. Regierung, K.d.I., | |
von Oberbayern. | |
______________________________ |
Betreff: Aufenthalt des Herzogs von Leuchtenberg in Seeon, Bez.Amt Traunstein Zum Bericht des K. Staats- ministeriums des Innern. vom 4. dieses Monats. Nr.50522 | Die Abordnung eines älteren Gendarmen nach Seeon ist erwünscht. Diesem fiele die Aufgabe zu, die her- zogliche Familie gegen etwaige Belästigungen zu schützen und gleich- zeitig das Dienstpersonal entspre- chend zu überwachen. Das K. Bezirksamt Traunstein ist anzuweisen, über besondere Wahr- nehmungen unmittelbar hierher zu berichten. |
gez. Dt. Graf von Hertling | |
[handschriftlicher Vermerk:] G.(egen) R(ückgabe) an d as k. Staatsministerium des k. Hauses und des Äussern mit dem Ersuchen um Zurück- leitung der Note vom 4. dieses Monats. Die Angelegenheit ist durch die heute verfügte Ausweisung der herzoglichen Familie erledigt. München 7 August 1914 Soden | |