Quellen:
Staatsarchiv München, Saline Reichenhall, Pläne 1 (Fassadenansicht der Saline Reichenhall, 1839).
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bayern Urkunden 3582 (Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse, 18. März 1829).
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bayern Urkunden 4007 (Abkommen zwischen dem Freistaat Bayern und der Republik Österreich über die Anwendung der Salinenkonvention, 25. März 1957).
Anknüpfungspunkte:
Warum war das Salz so wichtig? Wie werden ältere Rechte gesichert? Was für unterschiedliche Rechte gibt es? Wie verändern sich Handelswege? Wie prägen Handelswege eine Region? Was macht einen Staatsvertrag aus? Wie lange gilt ein Staatsvertrag? Welche Rechte hat ein Land innerhalb der Bundesrepublik? Wo endet Verwaltung?
Streitigkeiten unter Nachbarn sind alltäglich. Was aber, wenn es sich bei den Nachbarn um Territorien oder Staaten handelt? Noch schwieriger wird es, wenn es nicht nur um oberirdische, sondern auch um unterirdische Rechte geht, um die gestritten wird.
Salz, auch das „weiße Gold“ genannt, ist ein wertvolles Gut. Es dient und diente zum Würzen und – viel wichtiger – zum Haltbarmachen von Fleisch und anderen Speisen. Salzabbau und -handel prägten ganze Regionen, ließen Städte aufblühen und andere niedergehen, veränderten und definierten Verkehrswege. Der Ort Salzburg sowie der Fluß Salzach tragen das „Salz“ direkt im Namen. Bei Hallstatt in Oberösterreich, Hallein bei Salzburg und Bad Reichenhall in Bayern verweist der Namensbestandteil „Hall“ auf die Salzgewinnung. Sicher ist, dass es sich um einen frühmittelalterlichen Fachbegriff im Bergbau handelt, möglich ist auch ein keltischer Ursprung. Fragen, Rechte und Regelungen zum Salzabbau und zur Gewinnung von Holz für Salinen waren in und um Salzburg und Berchtesgaden von zentraler Bedeutung. Seit der Jungsteinzeit bis zu den Kelten wurde am Dürrnberg bei Salzburg Salz abgebaut. Nach den Kelten geriet das Wissen um das Salz am Dürrnberg in Vergessenheit und wurde erst im 12. Jahrhundert wiederentdeckt. Jahrhundertlang stritten dann Bayern und das Erzbistum Salzburg um Salz und Holz. Ganz konkret ging es um den Salzbergbau der Saline Hallein am Dürrnberg, heute in Österreich, den Handel mit Salz und die Versorgung der Saline Reichenhall in Bayern mit Holz.
Rohstoffvorkommen orientieren sich nicht an Territorialgrenzen und so kam es, dass sich im 13. Jahrhundert das Abbaugebiet der Saline Hallein unter dem Dürrnberg bis unter das Gebiet der damaligen Fürstpropstei Berchtesgaden vorschob. Die Fürstpropstei war mit der Unterwanderung ihres Territoriums im Tausch gegen andere Rechte einverstanden.
Zum Heizen der Sudöfen in einer Saline wird viel Holz benötigt. Das Holz für die bayerische Saline Reichenhall kam seit dem 8. Jahrhundert überwiegend aus dem Pinzgau. Der Pinzgau gehörte aber seit dem frühen 14. Jahrhundert zum Herrschaftsgebiet der Salzburger Erzbischöfe.
Die Hoheits- und Eigentumsverhältnisse änderten sich über die Jahrhunderte, die Nutzungsrechte blieben – waren aber in ihrer Form nicht unumstritten. Im 17. Jahrhundert wurde aus den Konflikten sogar ein echter „Salzkrieg“ zwischen dem Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau und dem bayerischen Herzog Maximilian. Auf die Besetzung Berchtesgadens durch Salzburger Truppen reagierte Bayern mit einem Einmarsch in Salzburg. Für Wolf Dietrich endete seine Flucht mit lebenslanger Einzelhaft auf den Festungen Hohenwerfen und Hohensalzburg.
Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege und dem Ausscheiden Salzburgs aus dem Königreich Bayern 1816 musste eine für alle Seiten tragbare zwischenstaatliche Lösung gefunden werden. 1829 schlossen daher das Königreich Bayern und das Kaiserreich Österreich einen Staatsvertrag zum Abbau von Salz und Holz, die sogenannte Salinenkonvention. Geregelt wurden unter anderem der österreichische Salzabbau bis auf bayerisches Gebiet und der bayerische Holzabbau im österreichischen Pinzgau für die Saline Reichenhall (Saalforste). Darüber hinaus durfte Bayern jährlich bis zu 160.000 Zentner Salz aus der Saline Hallein abnehmen und weiterverkaufen. Eine alle zehn Jahre zusammentretende Kommission sollte den von Bayern für das Salz zu entrichtenden Preis festlegen. In die Preisfindung flossen Betriebsausgaben, Produktions-, Verpackungs- und Transportkosten ein. Allerdings ging der bayerische Handel mit Halleiner Salz schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts so stark zurück, dass diese Regelung nur mehr von theoretischer Natur war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Saalforste im Pinzgau (Bezirk Zell am See) von den Amerikanern beschlagnahmt und treuhänderisch von Österreich verwaltet. Während Österreich weiterhin Salz unter dem Dürrnberg abbaute, war eine Holzausfuhr nach Bayern nicht möglich. Im Jahr 1955 erlangte die Republik Österreich ihre staatliche Souveränität zurück. Über private Kontakte verhandelte der bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner mit der Regierung in Wien. Ergebnis war eine Modifikation der alten Bestimmungen zugunsten Österreichs und eine Demonstration bayerischer Eigenstaatlichkeit. Am 25. März 1957 unterzeichneten der österreichische Außenminister Leopold Figl und der bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner das „Abkommen zwischen dem Freistaat Bayern und der Republik Österreich über die Anwendung der Salinenkonvention“. Die „Salinenkonvention von 1829 in der Fassung von 1957“ firmierte als Anlage zu diesem Abkommen.
Österreich legte das Abkommen zur Ratifikation seinem Parlament, dem Nationalrat vor, Bayern behandelte die Vereinbarung als reines Verwaltungsabkommen, Bund und Landtag mussten so – aus bayerischer Sicht – nicht beteiligt werden. Insgesamt ein verfassungsrechtlich nicht ganz unumstrittener Winkelzug, der langwierige innerdeutsche Verhandlungen zur Folge hatte. Nach Art. 32 des Grundgesetzes liegt die Zuständigkeit für die Außenpolitik beim Bund. Schließlich stimmte die Bundesregierung dem bereits in Kraft getretenen Abkommen im Herbst 1958 zu. Interessanterweise hat auch die geschilderte Vereinbarung zum Handel mit Halleiner Salz Eingang in die Neufassung der Salinenkonvention gefunden. Die Salinenkonvention wird heute als ältester noch gültiger Staatsvertrag Europas bezeichnet.
Weiterführende Hinweise
Alexander Wegmaier, Salinenkonvention 1829 und 1957, publiziert am 24.6.2013. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Salinenkonvention_1829_und_1957 (2.8.2018).
Grenzen überschreiten. Bayern und Salzburg 1810 bis 2010 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns Nr. 52), München 2010.
www.bayerische-landesbibliothek-online.de/histkarten
www.bsb-muenchen.de/einblicke/historische-karten-app/
www.salzburg.gv.at/sagis (Geographisches Informationssystem des Landes Salzburg u.a. mit historischen Karten)
www.doris.at/themen/geschichte/geschichte.aspx
www.geoportal.bayern.de (Geodateninfrastruktur Bayern mit Link zum Bayern Atlas)
Lehrplanbezug:
Methodenkompetenz, Urteilskompetenz, Orientierungskompetenz
Bayern-Identität, Formen geschichtlicher Überlieferung (Gymnasium, Klasse 6), Unsere Heimatregion im Mittelalter (Gymnasium, Klasse 7), Europa im Zeitalter der Revolutionen (Gymnasium, Klasse 8), Staatsgebiet und kulturelles Erbe (Gymnasium, Klasse 8), Veränderungen in den zu Beginn des 19. Jahrhunderts neu zu Bayern gekommenen Regionen (Gymnasium, Klasse 8), Entwicklung des ländlichen Raums im Zeitalter der Industrialisierung an bayerischen Beispielen (Gymnasium, Klasse 8), Fachübergreifendes Unterrichtsprojekt mit Sozialkunde (Gymnasium, Klasse 10), Aspekte europäischer Geschichte – Denkmuster und Ordnungsformen