Welche Quellen werden in einem Archiv verwahrt?
Welche Quellen ein Archiv verwahrt, ist abhängig vom Eigentümer bzw. Träger des Archivs. In einem großen staatlichen Archiv wie dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, findet man die ganze Bandbreite an Quellen: Urkunden, Akten, Amtsbücher, Karten und Pläne, Fotos, Filme und Tonbänder sowie Dateien und Datenbanken. Die Überlieferung setzt im Mittelalter (8. Jahrhundert) mit den Urkunden ein und reicht bis zu den digitalen Unterlagen des 21. Jahrhunderts. Zusätzlich kann man auch dreidimensionale Gegenstände mit einem direkten Bezug zu schriftlichen Unterlagen finden: Architekturmodelle wie das Modell des Olympiageländes in München, beschlagnahmte Gegenstände wie Kartenspiele oder Schusswaffen, Saatgut in kleinen Papiertüten oder Stoffproben, die man den Akten zur Veranschaulichung beigefügt hatte.
Grundsätzlich kann man Quellen nach ihrer äußeren Erscheinung und nach ihrem Inhalt oder ihrem Zweck unterscheiden. Früher fasste man die in einem Archiv vorhandenen Dokumente mit dem Dreiklang „Urkunden, Amtsbücher und Akten“ zusammen. Das ist jedoch nicht ganz vollständig. Man findet z.B. auch Karten und Pläne, die oft in Zusammenhang mit Streitigkeiten entstanden sind. Wenn sich beispielsweise zwei Parteien nicht einigen konnten, wurde ein Plan des strittigen Grundstückes, Territoriums, Grenzverlaufs oder Tatorts gezeichnet und zu den Akten genommen.
Urkunden sind rechtserheblich und die ältesten Quellen. Sie bestätigen einen Vertrag oder dokumentierten ein anderes Rechtsgeschäft. Das Ergebnis wird schriftlich festgehalten und als Nachweis sicher aufbewahrt.
Amtsbücher entstehen durch Verwaltungshandeln. Zeitlich folgen sie auf die Urkunden und sind bereits im Mittelalter bekannt. Wenn ein Grundherr beispielsweise von seinen Grunduntertanen Abgaben fordert und eintreibt, dann wird dies in einem Buch mit nummerierten Seiten festgehalten. Es würde sofort auffallen, wenn Seiten herausgerissen werden. So haben beide Seiten einen rechtlich verbindlichen Nachweis über die bezahlte Schuld.
Akten, Karten und Pläne kommen in der Neuzeit in der Verwaltung hinzu. Akten dienen in Behörden und Gerichten als Gedächtnisstütze, Karten und Pläne der Veranschaulichung von Zusammenhängen. Ein Akt besteht aus zusammengehörenden Einzelschriftstücken. Sie können lose liegen oder geheftet werden. Karten und Pläne wurden nach Bedarf eingelegt.
Mit der Erfindung des Buchdruckes schlägt auch die Geburtsstunde der Flugblätter. Hauptzweck waren politische Agitation und Werbung, seltener amtliche Bekanntmachungen. Seit der industriellen Herstellung billigen Papiers wurde es zum Massenmedium. Aus dem Flugblatt entwickelt sich das Plakat, aus dem reinen Textanschlag das Bildplakat. Plakate und Flugblätter sind Verbrauchsschriftgut, das in der Regel auf schlechtes Papier gedruckt wurde. Sie wurden gelesen und weggeworfen bzw. aufgeklebt und wieder überklebt. In Zeiten ohne Fernseher, Radio und Internet waren sie ein wichtiges Informationsmedium. Amtliche Stellen haben sich aus sicherheits- und ordnungspolitischen Gründen schon immer mit Plakaten und Flugblättern beschäftigt und sie gesichert. Wie auch Privatpersonen begannen Archive um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, diese Druckwerke zu sammeln. Im 20. Jahrhundert wurde diese Tätigkeit intensiviert.
Relativ junge Quellen sind Fotos, Ton- und Videoaufnahmen. Ihre Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird die Fotografie für jedermann erschwinglich und damit zu einer verbreiteten Dokumentationstechnik. Heute wird zwar mehr fotografiert und gefilmt denn je. Das Foto und der Film als analoges Trägermedium haben aber weitgehend ausgedient. Glasplatten, Foto- und Filmnegative, ausbelichtete Fotos, Ton- und Videoaufnahmen und Digitalisate teilen das Problem der Haltbarkeit. Schlimmste Bedrohung für den Erhalt sind chemische Veränderungen und Abbauprozesse.
Eine der größten Herausforderungen für die Archive liegt momentan im Bereich der Digitalen Unterlagen (Dateiablagen, E-Mail-Konten, Datenbanken, elektronische Akten, E-Publikationen und digitale Bildsammlungen). Schon seit den 1980er Jahren führen Justiz und Verwaltung digitale Unterlagen. Seit der Jahrtausendwende beschleunigt sich dieser Wandel: Regierung und Verwaltung wird zum „eGovernment“, um einer digital geprägten Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung zu tragen. Auch hier gibt es das Problem der Verfügbarkeit von Speichermedien, Datenformaten, Laufwerken, Hard- und Software, schlicht der Medienvielfalt. Wird der rechtzeitige Transfer versäumt, droht der komplette Informationsverlust. Analoge Fotos kann man noch direkt betrachten, für Ton- und Videoaufnahmen benötigt man dagegen passende Abspielgeräte, Dateien sind ohne entsprechende Hard- und Software nutzlos.
Für die Einordnung der analogen Gattungen der schriftlichen Überlieferung gibt es schon lange Standards der Archivwissenschaft und der Quellenkunde. Beim Digitalen Schriftgut ist dagegen vieles noch im Fluss.
Archive wissenschaftlicher Einrichtungen wie beispielsweise das Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, Universitätsarchive, aber auch Wirtschaftsarchive haben andere Schwerpunkte. Hier findet man Prüfungsunterlagen, Patente, Werbeplakate, Konstruktionszeichnungen, Druckschriften oder Nachlässe von Wissenschaftlern oder Führungskräften. Mit Nachlässen sind in der Regel die schriftlichen Unterlagen bedeutender Persönlichkeiten gemeint. Nachlässe spiegeln die Meinung und Einstellung des Nachlassgebers und liefern so einen persönlichen Blick auf die Vergangenheit. Die Verwaltungsakten der öffentlichen Stellen werden so ergänzt. Aus diesem Grund erwerben (Kauf, Schenkung, Deponierung) auch staatliche Archive Nachlässe, meist von Politikern oder Personen, deren Wirken für Staat und Gesellschaft bedeutend war.