Einleitung
(Vorbemerkung zum Gesamtbestand "Landtag" im Findbuch Landtag 1/1)
1. Volksvertretung in Bayern 1919-1933
Die so genannte Bamberger Verfassung vom 14. August 1919 stellte Bayern auf die Grundlage einer parlamentarischen Demokratie. Nach der Abschaffung der Monarchie war der Landtag des Freistaates damit oberstes und souveränes Staatsorgan. Er bestand aus nur einer Kammer. Dieses Parlament war zuerst am 12. Januar 1919 durch allgemeine (erstmals auch die Frauen einbeziehende), gleiche, geheime und unmittelbare Wahlen zusammengesetzt worden. Seit 1924 saßen auch Nationalsozialisten neben Vertretern der Bayerischen Volkspartei, der Sozialdemokratie und anderer Parteien im Bayerischen Landtag. Nach der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland 1933 war nach nur 14 Jahren auch das vorläufige Ende der demokratischen Volksvertretung in Bayern gekommen. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 wurden Verfassung, Landtag und Landeswahlgesetz außer Kraft gesetzt. Der Landtag tagte letztmals am 29. April 1933. Das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 hob die Parlamente der Länder förmlich auf.
Die Tätigkeit des Bayerischen Landtags 1919-1933 ist vorzüglich in zwei Komplexen dokumentiert: Einmal sind über die verfahrensgemäße Behandlung der einzelnen Gesetzentwürfe, Anträge, Eingaben etc. Akten entstanden. Sie wurden von der Landtagsverwaltung nach Wahlperioden und Tagungen des Landtags in gleichartige Sachgruppen eingeteilt. In das Verfahren einbezogen waren die einschlägigen Ausschüsse des Landtags. Die maschinenschriftlichen Sitzungsprotokolle der Ausschüsse liegen, allerdings unvollständig, auch gesammelt und in gebundener Form vor. Zum anderen wurden über die Plenumsverhandlungen stenografische Berichte gefertigt und deren Übertragungen ebenso wie die Beilagen gedruckt. In dieser Form befinden sich die auf die jeweilige Sache bezogenen Berichte und Beilagen durchgängig auch in den Akten. Von den Plenumssitzungen der zweiten Kammer der Ständeversammlung bzw. der Kammer der Abgeordneten (1819-1918) existiert eine gedruckte und vollständige Protokollsammlung als repräsentative Bändefolge. Diese Reihe wurde mit den entsprechenden Berichten und Beilagen des Bayerischen Landtags 1919-1933 fortgesetzt und bildet nun die Bände 611-676 der Gesamtreihe, wobei Plenumsberichte und Beilagen jeweils getrennt aufgestellt sind. Durch ebenfalls gedruckte und gebundene Register waren und sind diese Unterlagen gut erschlossen.
2. Bearbeitung des Landtagsarchivs (Teil 1919-1933)
Der Bayerische Landtag hat sich 2004 von seinem Archiv für die Zeit vor 1945 getrennt und auch die Überlieferungskomplexe zum Landtag 1919-1933 an das Bayerische Hauptstaatsarchiv abgegeben. Dort sind die gedruckten Plenumsprotokolle in die Amtsbibliothek integriert worden. Das Akten- und sonstige Schriftgut allerdings musste nach der Übernahme einer Bearbeitung unterzogen werden. Aus Zeit- und Personalgründen konnte eine wünschenswerte Neuverzeichnung der Akten nicht in Frage kommen. Nicht eingegriffen wurde auch in die vorgefundene Akten-Ordnungsstruktur des ehemaligen Landtagsarchivs, ebenso wenig in die Aktenabfolge (durchgängige Nummerierung nach Aktenzeichen). Schließlich wurden grundsätzlich keine Kassationen vorgenommen. Es waren aber bestimmte Mindeststandards archivischer Erschließung zu sichern, einschließlich der Herstellung digitaler Recherchemöglichkeiten: Daher wurde zunächst das Repertorium der Landtagsverwaltung über die Akten berichtigt bzw. ergänzt (besonders: Verdeutlichungen und Ergänzungen bei der Betreffsformulierung, Aufschlüsselung von Bandfolgen, Nachtrag der generell fehlenden Laufzeiten, Integration versprengter Registraturteile und einer Nachlieferung aus dem Jahr 2005). In dieser verbesserten Form konnte das Altrepertorium elektronisch erfasst werden. In gleicher und einfacher Weise sind auch die Ausschuss-Protokollbände erschlossen und den Akten angereiht worden. Bei den Protokollen handelt es sich um Originale bzw. Durchschriften von Sitzungsniederschriften mit handschriftlichen Korrekturen. Die beim Haushaltsausschuss vorhandenen und ebenfalls gebundenen Duplikate verblieben im Verbund. Die Reihenfolge der Ausschüsse ist von den Bearbeitern festgelegt worden. Diesen Bänden folgt eine kleine Gruppe so genannter Sonderakten. Darin liegt kein Schriftgut, das im Verlauf von Sachbehandlung erwachsen ist, sondern eine von der Landtagsverwaltung alphabetisch angelegte Dokumentation zu aktuellen und wichtigen Gegenständen der politischen Agenda, vornehmlich bestehend aus Parlamentsdrucksachen, thematischen Druckschriften und Zeitungsausschnitten. Die auf das Aktengut der Jahre 1919-1933 bezogenen Findmittel des ehemaligen Landtagsarchivs schließlich bilden den Abschluss der Bearbeitung, wobei - beim Verzicht auf die Erstellung von Registern für dieses Repertorium - das zettelförmige Alphabetische Sachregister zu den Akten des Landtags 1919-1933 nützlich sein kann. In der so entstandenen Form sind die Archivalien dieser Periode bayerischer Volksvertretung zwischen dem Ende der Monarchie und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft als Band 5 des neu formierten Gesamtbestands "Landtag" des Hauptstaatsarchivs zusammengefasst.
3. Hinweise zur Benutzung
a) Vor der Arbeit mit den Archivalien sollten die Landtagsdrucksachen, d.h. die vervielfältigten stenographischen Berichte etc. (s.o.), ins Auge gefasst werden. Hierzu ist eine vollständige Serie im Bayerischen Hauptstaatsarchiv vorhanden. Die Drucksachen können formal über den Benutzer-PC der Bibliothek recherchiert werden, und die entsprechenden Bände stehen in der Lesesaal-Präsenzbücherei für den direkten Zugriff bei der Benutzung bereit (Drucksachen: GeQu 3.2./4/611-676; Register: GeQu 3.2./5/R 52-62).
b) Im vorliegenden Repertorium sind manche Akten als fehlend deklariert. Sie waren schon im Altrepertorium der Landtagsverwaltung als nicht vorhanden bezeichnet worden. Ihr Vortrag in diesem Repertorium soll dokumentieren, dass zu den jeweiligen Materien Unterlagen in Aktenform vorhanden waren.
c) Bei den Aktengruppen der "Eingaben" fehlen im Altrepertorium ab der Tagung des Landtags 1928/29 teilweise die Sachbezüge, nachdem bis dahin gerade diese Akten in der ausführlichsten Weise erschlossen sind. Die Bezugsgegenstände konnten bei der Bearbeitung nur zum Teil ergänzt werden.
d) Bei den Aktengruppen der "Sonstigen Akten" befinden sich vereinzelt auch Unterlagen, die inhaltlich eng mit den Akten der Verwaltung des Landtags zusammenhängen und dorthin zu transferieren gewesen wären (vgl. Repertorium Landtag Bd. 4). Um die Aktenabfolge des vorliegenden Repertoriums nicht zu stören und den Zusammenhang dennoch zu verdeutlichen, wurden bei signifikanten Akten Querverweise angebracht.
e) Das vorliegend erfasste Schriftgut greift in wenigen Fällen in die Zeit vor 1919 zurück oder betrifft diese Zeit. Beispiele sind etwa die Sitzungen des Ältestenrats (Seniorenkonvents) und bestimmte Rechnungsnachweisungen; wichtig erscheint dieser Hinweis für die Protokollbände des Finanzausschusses der Kammer der Abgeordneten für die Jahre 1917 und 1918.
4. Inhaltliche Würdigung
In den amtlichen Drucksachen des Bayerischen Landtags und in den Ausschuss-Protokollen finden sich die wesentlichen Informationen zu einem vom Landtag zu entscheidenden oder an ihn herangetragenen Gegenstand. Sie liegen, wie oben dargestellt, gesammelt vor. Solche Drucksachen etc. bilden aber auch einen Hauptbestandteil der vorliegend erschlossenen Akten. Der Mehrertrag der Akten besteht darin, dass diese Materialien zum jeweils konkreten Gegenstand vereinigt sind, außerdem enthalten nur die Akten die Originalinitiativen, ferner - soweit die Protokolle in den gebundenen Sammmlungen fehlen - die Sachbehandlung im zuständigen Ausschuss (Vortrag der Berichterstatter etc.), schließlich finden sich in den Akten z.T. Eingaben, Zeitungsausschnitte, gedruckte Stellungnahmen u.ä.. Nicht nur die Akten zur Landtagsroutine (d.h. zur Behandlung der Gesetzentwürfe, Anträge von Abgeordneten, Ein-gaben etc.) zeigen in der Regel diesen Befund, sondern auch die Unterlagen in den Gruppen der "Sonstigen Akten". In letzteren Akten finden sich neben den "Kurzen Anfragen" und "Interpellationen" aus der Volksvertretung heraus auch Akten zum Landtag als solchem, dann zu den unruhigen politischen Verhältnissen der Zeit und zu besonderen Einzelereignissen, mit denen sich der Landtag beschäftigte. Man wird daher die Akten des Landtags 1919-1933 im Rahmen exakter Forschung ergänzend zu den amtlichen Drucksachen heranziehen; ob sie einen Erkenntniszugewinn verschaffen, wird sich im Einzelfall zeigen. Beachtet werden muss, dass im fraglichen Zeitraum die Pfalz zu Bayern gehörte und auch pfälzische Abgeordnete im Landtag saßen. Die bei der Volksvertretung entstandenen Quellen bilden daher nicht nur für die entsprechende Geschichte des heutigen Bayern, sondern auch für den pfälzischen Teil des Landes Rheinland-Pfalz eine beachtenswerte Basis. Ein praktischer Vorteil ist, dass die inhaltliche Suche in den nachfolgend vorgetragenen Akten digital schneller erfolgen kann als die Recherche in den Registern der Drucksachen.
März 2007
Renate Herget, Stefan Thiery
Inventar:
Renate Herget und Stefan Thiery (Bearb.), Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Bayerischer Landtag. Kammer der Abgeordneten 1819-1918 und Bayerischer Landtag 1919-1933: Verwaltungsakten, Archivariatsakten; Verhandlungen des Landtags 1919-1933 (Bayerisches Archivinventar 59/4), München 2021