Einleitung
(Vorbemerkung zum Gesamtbestand "Landtag" im Findbuch Landtag 1/1)
1. König und Verfassung, König und Landtag
Die nachfolgend vorgetragenen Unterlagen dokumentieren vor allem die Stellung des Königs in Bezug auf die Verfassung vom 26. Mai 1818 insgesamt sowie in Bezug auf die Ständeversammlung bzw. den Landtag zur Zeit der konstitutionellen Monarchie in Bayern. Der König gewährt (oktroyiert) einerseits seinem Land die Verfassung. Nach deren Bestimmungen ist er auch selbst das Staatsoberhaupt mit allen Rechten der Staatsgewalt. Andererseits ist der König an die Verfassung gebunden: Jeder Regent leistet auf sie den Eid. Verfassungsmäßiges und in seinem Wirkungskreis vor allem auf die Gesetzgebung und die Kontrolle der staatlichen Finanzen festgelegtes Organ ist ferner der Landtag (bis 1848: die Ständeversammlung), gegliedert in die Kammer der Reichsräte und die Kammer der Abgeordneten. Es ist im gesamten 100-jährigen Geltungszeitraum der Verfassung das unangefochtene und auch zeremoniell betonte Recht des Königs, die Ständeversammlung bzw. den Landtag periodisch jeweils neu zu eröffnen und zu schließen - also den Verhandlungszeitrahmen vorzugeben - und auf die Arbeit der Volksvertretung mit einer Entschließung am Schluss der Sitzungsperiode zu reagieren (Landtagsabschied). Dies und die Verfassungsbestimmung, dass die einzelnen verhandelten Gesetze vom König allein sanktioniert und mit seiner Unterschrift erlassen werden, machen das "monarchische Prinzip" in Bezug auf die Vertretungskörperschaften deutlich.
2. Zwei Bestände und deren archivische Bearbeitung
Zu den Verfassungsurkunden selbst und zu den oben beschriebenen Zusammenhängen sind an zwei verschiedenen Stellen originale Überlieferungen erwachsen. Dies geschah einmal im Wege der direkten Hinterlegung von Verfassungsurkunden, Niederschriften zu Eidesleistungen der Regenten, Protokollen über die Eröffnung und Schließung des Landtags, Landtagsabschieden und zwei Proklamationen (darunter die Königsproklamation von 1806) im Allgemeinen Reichsarchiv. Zum anderen verwahrte auch das Landtagsarchiv ein Exemplar der Verfassung von 1818, Ausfertigungen der Landtagsabschiede, Abschriften von Eidesleistungen, ferner zwei Adressen an den König. Die Überlieferung des Allgemeinen Reichsarchivs (nachmals: des Hauptstaatsarchivs) bildete dort einen Teil des Urkunden- bzw. des "Raritätenselekts". Die Überlieferung im Landtagsarchiv kam 1934 mit diesem selbst nach der Auflösung des Landtags durch die Nationalsozialisten ebenfalls in das Hauptstaatsarchiv und verblieb auch dort, als der größte Teil des Landtagsarchivs nach dem Neubeginn der parlamentarischen Arbeit (1946) an den Landtag zurückgegeben wurde. Seit 1987 waren diese beiden Überlieferungsstränge in den selbständigen Beständen "Verfassungurkunden des Königreichs Bayern" bzw. "Landtagssachen" repertorisiert. Nachdem der Bayerische Landtag 2004 die älteren Teile seines Archivs (Verwaltungsakten, Akten der Kammer der Abgeordneten 1819-1918 und des Landtags 1919-1933) an das Hauptstaatsarchiv abgegeben hatte - die Akten der Kammer der Reichsräte waren nach 1946 im Hauptstaatsarchiv verblieben - wurden alle nicht gedruckten Unterlagen der bayerischen Volksvertretung in dem Neubestand "Landtag" zusammengefasst. Unter dieses Dach sind nun auch die ehemaligen Bestände "Verfassungsurkunden" und "Landtagssachen" unter Erhalt ihrer gewachsenen Struktur genommen worden. In diesem Zusammenhang wurden die Altrepertorien überarbeitet und ihre Inhalte digital erfasst.
3. Würdigung der Quellen
Die Bedeutung der bezeichneten Objekte liegt auf der Hand. Staatsrechtlich bezeugen die Originale der Verfassungsurkunde von 1818 das Fundament Bayerns als konstitutioneller Monarchie für 100 Jahre. Die Dokumente zur Ständeversammlung bzw. zum Landtag stellen das Parlament unter den Vorzeichen des monarchischen Prinzips in das staatliche Gefüge und legitimieren die Tätigkeit seiner Kammern. Formal ist der überwiegende Teil der Unterlagen durch die Original-Unterschriften der Könige und zahlreicher weiterer Vertreter des Hofes und des Staates qualifiziert und in seiner Ausstattung hervorgehoben. Insoweit haben diese Dokumente auch ihre Rolle als Vorzeigestücke; sie sind auch gesondert verwahrt.
Wenn es unabhängig von Rechtskraft und Repräsentation um die formalen Abläufe von der Eröffnung bis zur Schließung einer Landtagssession geht, so kann auch die entsprechende Aktengruppe 3 (III) der Verwaltungsakten der Kammer der Abgeordneten herangezogen werden (vgl. Repertorium Bd. 4): Sie spiegelt alle damit in Zusammenhang stehenden Vorgänge noch exakter als die Originale wider.
München, Juni 2007
Renate Herget, Stefan Thiery
Inventar:
Renate Herget und Stefan Thiery (Bearb.), Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Bayerischer Landtag. Kammer der Abgeordneten: III. Ausschuss: Staatsorganisation, Innere Angelegenheiten, Militär und Äußere Beziehungen, V. Ausschuss: Beschwerden, VI. Ausschuss: Petitionen. Verfassungsurkungen; Eröffnung, Abschied und Schließung von Ständeversammlung bzw. Landtag (Bayerisches Archivinventar 59/3), München 2021