Einleitung
1. Behördengeschichtliche Entwicklung des Bayerischen Oberbergamts
Das Oberbergamt, dessen Überlieferung in diesem Repertorium verzeichnet ist (vgl. Ziff. 2), entstand als staatliche Stelle durch den Rückzug der bayerischen Bergbehörden aus der Wirtschaftsverwaltung der Bergbaubetriebe. Mit den Umgestaltungen des Jahres 1869 blieb der bis dahin auf zentraler Ebene in allen Bergangelegenheiten zuständigen "General-Bergwerks- und Salinen-Administration" nur noch die oberste, betriebliche Leitung und Verwaltung der einschlägigen staatlichen Unternehmungen (seit 1909: "Generaldirektion der Berg.-, Hütten- und Salzwerke). Denn die Berghoheitsverwaltung - d.h. die auf alle Bergbaubetriebe bezogene, behördliche Aufsicht zur Gefahrenabwehr für die Bergleute, zur Sicherheit der Grubenbaue und zur Wahrung sonstiger öffentlicher Belange - wurde mit der Verordnung über die Organisation der Bergbehörden vom 16. Juni 1869 (Rbl. Sp. 1049) in letzter Instanz dem Oberbergamt übertragen. Dieses unterstand zuerst dem Ministerium des Handels und der Öffentlichen Arbeiten, zuletzt dem Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr. Dem Oberbergamt seinerseits waren die Bezirksbergämter München, Bayreuth und Zweibrücken nachgeordnet. Im Jahr 1869 ebenfalls neu geschaffen, traten sie an die Stelle der vormaligen sieben Bergrevierämter. Relativ kurz bestand im späten 19. Jahrhundert außerdem ein viertes Bezirksbergamt in Regensburg.
Durch Verordnung vom 30.7.1900 (GVBl. S. 278) wurden die Aufgaben zwischen den unteren Bergbehörden, die in der Folge "Berginspektionen" hießen, und dem Oberbergamt deutlicher abgegrenzt. Bei den Inspektionen trat die bergpolizeiliche Aufsicht stärker in den Vordergrund, während das Oberbergamt - neben seiner Funktion als Aufsicht- und Koordinierungsbehörde - vor allem diejenigen Angelegenheiten in erster Instanz wahrnahm, durch welche Rechtsverhältnisse besonders in Fragen des Bergwerkseigentums geregelt wurden. Auf der unteren Ebene wurde 1924 die Stelle des seit 1909 der Berginspektion Bayreuth beigegebenen Bergrats in Schwandorf zu einer selbständigen Berginspektion für die Oberpfalz mit dem Sitz in Amberg ausgebaut. Ebenfalls 1924 erhielt das Oberbergamt selbst, bis dahin ein kollegial entscheidendes Gremium, eine präsidiale Spitze.
Nach den strukturellen und räumlichen Veränderungen, denen auch die Bergbehörden im Dritten Reich unterworfen waren, reorganisierte sich die bayerische Bergverwaltung nach 1945 - nun freilich amputiert um die Pfalz - in Anlehnung an den früheren Zustand. Entsprechend der Verordnung vom 21.1.1956 waren auf der unteren Ebene das Bergamt München für Oberbayern, Niederbayern und Schwaben, das Bergamt Amberg für die Oberpfalz und das Bergamt Bayreuth für die fränkischen Landesteile zuständig. Allerdings deckten sich die Sprengel der Bergämter erst seit 1982 exakt mit den zugehörigen Regierungsbezirken. Als für den ganzen Freistaat zuständige Mittelbehörde bestand über ihnen bis 1994 das "Bayerische Oberbergamt". In den letzten drei Jahrzehnten konfrontiert mit dem Rückgang und in Teilbereichen mit der Liquidierung des klassischen Bergbaus in Bayern, übernahm die Bergbauverwaltung zahlreiche Aufgaben außerhalb ihres eigentlichen Feldes. Trotz dieser Kompensationen geriet die bestehende bergbehördliche Struktur unter Rationalisierungsdruck. Durch die Bergbehörden-Verordnung vom 20.12.1994 (GVBl. S. 1060) wurde die Mittelbehörde Oberbergamt aufgelöst und ihre Aufgaben einerseits dem Wirtschaftsministerium, andererseits den Bergämtern Nordbayern und Südbayern (bei den Regierungen von Oberfranken in Bayreuth bzw. von Oberbayern in München) übertragen. Die staatliche Bergverwaltung in Bayern ist seither zweistufig organisiert.
2. Bestandsbearbeitung
Das Oberbergamt hat durch Kriegseinwirkung - zuletzt wurde es am 17.12.1944 total ausgebombt - schwere Registraturverluste erlitten. Nach der erstmals 1950 bei dieser Landesbehörde durchgeführten Aussonderung wurde das Aktengut systemwidrig mit Unterlagen regionaler Bergbehörden auf die Staatsarchive verteilt. Erst 1975 gelangten die zentralbehördlichen Teile wieder an das Hauptstaatsarchiv. Die entsprechenden Abgaben der Staatsarchive bildeten danach, zusammen mit einem hier verbliebenen kleinen "Altbestand", den provisorischen Bestand Oberbergamt des Hauses. Als nach der Auflösung der Berg-Mittelbehörde das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie 1998/99 weitere Teile der ehemaligen Oberbergamts-Registratur abgegeben hatte, wurde dies zum Anlass genommen, nun einen definitiven Bestand Oberbergamt einzurichten, zumal seit 1998 schon die Behörden "General-Bergwerks- und Salinen-Administration" sowie "Generaldirektion der Berg-, Hütten- und Salzwerke" als erschlossene Bestände formiert waren.
Soweit er in diesem Repertorium vorgetragen ist, setzt sich der neue Bestand Oberbergamt daher zusammen aus Teilen der genannten Staatsarchiv-Abgaben - aus denen noch zahlreiche Unterlagen kurbayerischer zentralbehördlicher Provenienz herauszulösen und an die Abteilung I des Hauses abzugeben waren - und den vom Wirtschaftsministerium übergebenen Akten. Als Ordnungsstruktur wurde der gesamten Einheit der seit der Mitte der 1950er Jahre geltende Aktenplan des Oberbergamts zu Grunde gelegt, da in der Nachkriegszeit die Hauptmasse des Aktenguts entstanden war.
Gegenüber den vor 1945 gebildeten Akten fallen die danach entstandenen in der formalen Qualität stark ab. Sie sind gekennzeichnet von wenig durchschaubarer Ablage, einer Vielzahl technischer verbundener Teilakten, nicht durchgebildeten Bandfolgen mit einander überlappenden Laufzeiten, wechselnden Aktenzeichen u.ä. Durch Ordnung und Verzeichnung ist es nur zum Teil möglich gewesen, den schriftlichen Niederschlag des ehemaligen Oberbergamts übersichtlicher zu machen. Die Band-Ziffern in Klammern stammen vom archivischen Bearbeiter. Das ausführliche Register soll diese Mängel soweit als möglicgh mildern und das Recherchieren erleichtern.
Zu beachten ist, dass das vorliegende Repertorium nicht die gesamte noch erhaltene Oberbergamts-Überlieferung vorträgt:
a) Alle jene Akten, die sich vor allem in den genannten Staatsarchiv-Abgaben auf Rechtsverhältnisse konkreter Bergbauobjekte bezogen - also auf Mutung, Übertragung, Weiterentwicklung, Entzug oder Erlöschen von Bergwerkseigentum - sind hier nicht aufgenommen. Sie werden zusammen mit weiteren, jüngst vom Wirtschaftsministerium eingegangenen, gleichartigen Unterlagen in einem weiteren Oberbergamts-Repertorium (Bd. 2) zusammengefasst.
b) Bei der Auflösung des Oberbergamts sind dessen Akten teils an das Wirtschaftsministerium, teils aber auch an die neuen Bergämter Nord- und Südbayern gegangen (Beispiel: Im Ministerium sind bisher alle Akten des Oberbergamts zur Erforschung, Erfassung, und Beurteilung von Rohstoff-Lagerstätten verblieben). Dies bedeutet, dass gesuchte Akten noch bei den Bergbehörden liegen können und dass bei späteren Abgaben dieser Behörden Registraturgut der Provenienz Oberbergamt dann anfallen wird, wenn die entsprechenden Akten nicht weiter geführt wurden.
3. Inhaltliche Würdigung
Der zeitliche und inhaltliche Schwerpunkt der hier vorgetragenen Akten liegt in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier spiegelt die Überlieferung deutlich, auch statistisch breit untermauert, die zuerst anschwellende, seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre jedoch schnell schrumpfende Bedeutung des (klassischen) Bergbaus in Bayern. Die hoheitliche Grundfunktion des Oberbergamts (Bergaufsicht) und das im Bergbau ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis wird deutlich im vielfältigen, zum Teil "föderalistisch" mit den Oberbergbehörden der anderen Länder entwicklten Vorschriftenwesen, in der Aktengruppe "Grubensicherheit" und in den Berichtsserien. Weitere inhaltliche Schwerpunkte bilden die Innenstruktur der (teilweise "barock" anmutenden) Behörde selbst sowie Regelungen zur Ausbildung von Bergverwaltungspersonal und in Bergberufen. Im einzelnen finden sich auch Unterlagen zu Bereichen, die sich nicht auf den ersten Blick beim Oberbergamt vermuten ließen, so zum U-Bahnbau und zum Heilquellenschutz (Badeorte).
Juli 2003
Stefan Thiery