Einleitung
1. Geschichte
Das auf einer Rodungsinsel im Veldensteiner Forst entstandene Benediktinerkloster Michelfeld verdankt seine Gründung im Jahr 1119 dem Bamberger Bischof Otto I. (1102-1139). Als zentrales Motiv für seine Errichtung gelten territorialpolitische Interessen: Bischof Otto wollte offenbar verhindern, dass die im Raum um Velden verstreut gelegenen Besitzungen der Bamberger Bischofskirche, die Friedrich III., der letzte der edelfreien Herren von Pettendorf-Hopfenohe-Lengenfeld, als Lehen inne gehabt hatte, nach dessen Tod (1115) an seinen Schwiegersohn Pfalzgraf Otto V. (IV.) von Wittelsbach fielen; er zog den Lehenbesitz als heimgefallen ein und verwendete ihn zur Gründungsausstattung für sein bischöfliches Eigenkloster. Als der Pfalzgraf seine Erbansprüche mit Gewalt durchzusetzen drohte, konnte Bischof Otto die von Friedrich einst selbst genutzten Lehen zwar dem Kloster sichern, die weiterverliehenen Lehen musste er jedoch dem Wittelsbacher überlassen. Zum Vogt des Klosters bestimmte er Graf Berengar I. von Sulzbach, der selbst aktiv an der Gründung beteiligt war und zu den größten Konkurrenten der Wittelsbacher auf dem Nordgau zählte.
Die auf den Namen Bischof Ottos ausgestellte Stiftungsurkunde vom 6. Mai 1119 (Kloster Michelfeld Urkunden 1) ist eine formale Fälschung wohl aus dem späten 12. Jahrhundert, ihr Inhalt gilt jedoch als echt. Sie enthält eine umfangreiche Liste von auch anderweitig belegten Fundationsgütern und sollte dem Kloster nachträglich einen authentischen Beleg für die durch den Gründer geschaffenen Verhältnisse liefern. Auch zwei weitere Urkunden Bischof Ottos (Kloster Michelfeld Urkunden 2 und 4) konnten als formale Fälschungen nachgewiesen werden, ebenso die Urkunde Bischof Egilberts von ca. 1140 (5) und Bischof Eberhards II. von 1169 (8) (siehe Ziegler, S. 92-94, 116-120; Steiner, S. 169-171, 179 f., 184 f.).
Die ersten Mönche kamen wahrscheinlich aus dem der Hirsauer Reform verpflichteten Kloster Michelsberg in Bamberg. Die Weihe der Klosterkirche durch Bischof Otto I. erfolgte am 6. Mai 1120; zugleich gewährte er dem „cenobium“ mit Zustimmung des Pfarrers von Velden, zu dessen Sprengel Michelfeld und Umgebung gehörten, das Recht, Sakramente zu spenden und Beerdigungen vorzunehmen. Am 6. November 1121 übereignete Otto dem Kloster die diesem benachbarte Kirche St. Leonhard und erhob sie zur Pfarrkirche, indem er die Bewohner aller umliegenden Dörfer, die zum Kloster gehörten, anwies, künftig dort von einem durch den Abt ermächtigten Priester die Sakramente zu empfangen. Während die Anfangszeit Michelfelds von enger Bindung an Bischof Otto I. gekennzeichnet war, der gegenüber seiner Gründung landesherrliche und weitreichende bischöflich-eigenkirchenherrliche Kompetenzen (vor allem Vermögensverwaltung und Einsetzung des Abtes) in Anspruch nahm, konnte sich das Kloster nach seinem Tod zumindest in geistlichen Angelegenheiten sukzessive von den Bamberger Einflüssen emanzipieren und bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts mehr Selbstständigkeit erlangen.
Die Fundationsgüter des Klosters lagen im Umkreis von Michelfeld und Auerbach sowie entlang der Pegnitz bis um Creußen sowie um Pottenstein und Gößweinstein. Offenbar entwickelte sich beim Kloster relativ rasch ein erfolgreiches Wirtschaftsleben. 1144 verlegte Bischof Egilbert von Bamberg den beim Kloster entstandenen Markt mit Zustimmung König Konrads III. und des Vogtes Gebhard von Sulzbach in das Dorf Auerbach und erhob die dortige Kirche zur Pfarrkirche unter dem Patronat der Michelfelder Mönche. Der Marktort erfreute sich bald einer wirtschaftlichen Blüte und avancierte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zur Stadt. Ab 1349 gehörte Auerbach zum „neuböhmischen“ Territorium Kaiser Karls IV. und wurde nach dem Vertrag von Fürstenwalde 1373, in dem der Luxemburger den südlichen Teil seines Landes in Bayern mit dem bisherigen Verwaltungsmittelpunkt Sulzbach gegen die Markgrafschaft Brandenburg an die oberbayerischen Wittelsbacher abtrat, Zentralort des noch unter böhmischer Herrschaft verbleibenden Gebiets und Sitz von Kaiser Karls IV. „Hauptmann in Baiern“.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfuhr Michelfeld einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung, der es dem Kloster in der Folge ermöglichte, seine Besitzungen durch gezielte Erwerbungen zu erweitern. Mehrere Eisenhämmer im Besitz des Klosters trugen zum Wohlstand der Abtei bei; ab 1519 erwarb Michelfeld Erzgruben und profitierte von der Erlaubnis, die Erzvorkommen nutzbar zu machen. Durch kriegerische Ereignisse erfolgten schwere Rückschläge, von denen sich das Kloster durch gute Wirtschaftsführung über kurz oder lang wieder erholte. Als König Ruprecht 1400 im Krieg gegen den böhmischen König Wenzel den 1373 unter böhmischer Herrschaft verbliebenen restlichen Teil Neuböhmens einschließlich Auerbach für die Pfalz zurückeroberte, fand eine entscheidende Schlacht bei Michelfeld statt, die das Kloster stark in Mitleidenschaft zog und in eine wirtschaftliche Notlage versetzte. 1430 wurden Michelfeld und Auerbach durch ein hussitisches Heer, das in Pegnitz lagerte und von dort aus Kriegszüge unternahm, verwüstet. Das Kloster sah sich daraufhin nicht mehr in der Lage, allen Konventualen den nötigen Lebensunterhalt zu bieten, so dass sich einzelne von ihnen auf Geheiß des Abtes auf den Weg machen mussten, um sich eine vorübergehende Bleibe in befreundeten oder benachbarten Klöstern zu suchen. Unter Abt Hartung II. Pfersfelder (1436-1451), der den Wiederaufbau der Anlage mit Umwehrung der Konventgebäude durch Ringmauern, Türme und Tore in Angriff nahm, kam es unter dem Einfluss der Kastler Reform zu einer Konsolidierung der religiösen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klosters.
Bis in das 14. Jahrhundert lassen die Quellen wenig Interesse seitens der Reichsgewalt oder der wittelsbachischen Landesherren an dem Kloster erkennen, was darauf schließen lässt, dass Michelfeld noch unbestritten zum hochstiftisch-bambergischen Territorium gehörte. Nach der Rückeroberung Auerbachs durch die Kurpfalz setzen Hinweise auf Bemühungen der Pfalzgrafen ein, über die Wahrnehmung von Schutzrechten das Kloster und seine Besitzungen dem Hochstift Bamberg zu entfremden und es der eigenen Territorialherrschaft einzuverleiben. Möglicherweise hatten spätestens die Erlebnisse der Hussitenüberfälle eine sukzessive Annäherung der Abtei an die Pfalzgrafen gefördert. Von 1439 bis in das 16. Jahrhundert begegnen die Pfalzgrafen in einer Reihe von strittigen Angelegenheiten des Klosters als Schiedsrichter oder ließen sich in dieser Funktion durch Amtleute vertreten. 1464 bestätigte Kaiser Friedrich III. dem Kloster alle bisher von Kaisern und Königen sowie Fürsten des Reichs verliehenen Privilegien. Im Jahr darauf beauftragte er Pfalzgraf Otto II. von Pfalz-Mosbach-Neumarkt mit dem bereits durch dessen Vorgänger ausgeübten Schutz über Michelfeld und elf weitere in dessen Fürstentum gelegene Klöster (Fürstentum Obere Pfalz, Regierung Urkunden 558). 1499, als nach dem Tod Pfalzgraf Ottos II. dessen Neumarkter Fürstentum an die Kurpfalz überging, nahm Kurfürst Philipp die Abtei in seinen Schutz und Schirm und bestätigte ihre hergebrachten Freiheiten. Ein Gleiches erfolgte nach seinem Tod 1508 durch seine Söhne Kurfürst Ludwig V. und Pfalzgraf Friedrich II. Als Letzterer 1544 als neuer Kurfürst den pfalzgräflichen Schutz und die Privilegienbestätigung erneuerte, geschah dies auf Bitten des Michelfelder Abts, der „bei seinem rechten Herrn und Landesfürsten“ darum nachgesucht habe. Die Bamberger Bischöfe freilich waren nicht bereit, ihre landesherrlichen Ansprüche aufzugeben, und wehrten sich gegen Übergriffe und Anmaßungen der Pfalzgrafen. Sie bestanden darauf, dass Michelfeld ihnen mit aller weltlichen und geistlichen Obrigkeit unterstehe; das Kloster stelle eine Gründung der Bischöfe von Bamberg auf deren Grund und Boden dar und sei mit all seinen Zugehörungen als Lehen des Hochstifts zu betrachten. Die Pfalzgrafen stellten sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass das Kloster in ihrem Fürstentum gelegen und seit eh und je mit aller weltlichen Obrigkeit ihnen als dessen Landesfürsten, Erbschutz- und Vogtherren unterworfen sei.
Die Auseinandersetzungen zwischen dem Hochstift und der Pfalz um die Landeshoheit dauerten noch an, als Kurfürst Ottheinrich 1556 mit einer neuen Kirchenordnung die Reformation in der Oberen Pfalz einführte und das Kloster 1558, nach dem Tod des Abtes Friedrich von Aufseß, unter pfälzische Herrschaft stellte. Mit der weltlichen Verwaltung wurden nacheinander die drei noch verbliebenen ehemaligen Patres Philipp Modschidler (+ 1560), Johann Renner (+ 1561) und Wolfgang Pfreimbder (+ 1563) sowie der ehemalige Konventuale Johann Georg Groß (+ 1569) betraut. Auf sie folgten pfälzische Administratoren als Verwalter des Klosterrichteramts Michelfeld.
Unter Kurfürst Ferdinand Maria wurde Michelfeld 1661 als Ordensniederlassung der Benediktiner durch Mönche aus Oberalteich wiederbegründet. Die offizielle Restitution in alle ehemaligen Rechte und Besitzungen erfolgte am 29. Juli 1669. Anfangs unter der Administratur des Oberalteicher Abtes stehend, erlangte das Kloster 1695, im Jahr der Vollendung des barocken Neubaus der Klosterkirche, den Status einer selbstständigen Abtei. Unter Abt Maximilian Prechtl (1800-1802) wurde das Kloster ein zweites Mal säkularisiert. 1801 wurde das Kirchensilber beschlagnahmt und ein Inventar aller Mobilien und Immobilien angefertigt, 1802 wurde Michelfeld unter kurfürstliche Verwaltung gestellt und am 23. April 1803 endgültig aufgelöst.
2. Bestandsgeschichte
Nach der ersten Klosteraufhebung im Zuge der Reformation wurden die Michelfelder Urkunden bis zur Wiedererrichtung 1669 im Archiv der Regierung bzw. bei der Geistlichen Gefällverwaltung in Amberg verwahrt. Das Verzeichnis von 1663, das Valentin Schwaighauser, beider Rechte Doktor und Regierungsadvokat, im Vorfeld der Wiederbegründung erstellte, nennt 865 Michelfelder Urkunden (Standbücher 1217/I).
Nach der zweiten Säkularisierung gelangten die Urkunden 1812 im Zuge der Zentralisierung der oberpfälzischen Klosterarchive durch Franz Joseph von Samet in das Allgemeine Reichsarchiv nach München. Im Rahmen der gesamtbayerischen Beständebereinigungen wurden sie 1995 durch das Bayerische Hauptstaatsarchiv als Nachfolgebehörde des Reichsarchivs an das Staatsarchiv Amberg als dem Regionalarchiv für die Oberpfalz, wie dies in der 1988 getroffenen Zuständigkeitsregelung festgelegt worden war, abgegeben.
Als Findmittel für die Urkunden von 1119 bis 1398 diente die übliche Aussteller-/Sieglerliste mit Verweisen auf Band 25 der „Monumenta Boica“, die Urkunden ab dem Grenzjahr 1401 waren durch Datumszettel erschlossen. 2007/2008 wurde der Urkundenbestand von Dr. Karl-Otto Ambronn neu bearbeitet und regestiert. Er war in dieser Form im 19./20. Jahrhundert im Allgemeinen Reichsarchiv bzw. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv formiert worden und umfasste 696 Urkunden aus der Zeit von 1119 bis 1800. 2012 wurde der Bestand durch vier weitere Urkunden (127, 144, 194 und 560) ergänzt, so dass er heute 700 Nummern zählt.
Da der Urkundenbestand erhebliche Lücken aufweist, die wohl überwiegend im Zuge der Säkularisation entstanden sein dürften, empfiehlt es sich, für Forschungen auch die kopiale Überlieferung (Kloster Michelfeld Amtsbücher und Akten 242) sowie die Regestierungen des 16. Jahrhunderts (1559 von der Hand des Amberger Regierungsregistrators Stephan Frey [Kloster Michelfeld Amtsbücher und Akten 246] und 1566 [ebd. 248]) sowie des Amberger Regierungsadvokaten Valentin Schwaighauser (siehe oben) heranzuziehen.
Weitere Urkunden Michelfelder Provenienz befinden sich im Archiv des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (im Stadtarchiv Regensburg), nachdem sie wohl in den Wirren der Säkularisation in fremde Hände gelangt waren (Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg. Archivrepertorien, Teil II: Urkunden, Heft 1: Urkundenregesten von 1180 bis 1680, bearb. von Wilhelm Volkert, Regensburg 1996, Nr. 11, 105, 191, 232, 235, 424, 476).
3. Literatur
Tobias Appl, Hartungus Pfersfelder erigit e ruderibus Monasterium. Die Erneuerung des Klosters Michelfeld unter Abt Hartung Pfersfelder in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Tobias Appl – Manfred Knedlik (Hg.), Oberpfälzer Klosterlandschaft. Die Klöster, Stifte und Kollegien der Oberen Pfalz (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Oberpfalz, hg. von der Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberpfalz, Bd. 2), Regensburg 2016, S. 64-77
Tobias Appl – Manfred Knedlik, Michelfeld, in: Michael Kaufmann u.a. (Bearb.), Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Bayern (Germania Benedictina II), St. Ottilien 2014, Bd. 2, S. 1151-1166
Jürgen Dendorfer, Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft. Die Grafen von Sulzbach und ihr Beziehungsgeflecht im 12. Jahrhundert (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte, Bd. 23), München 2004, S. 141-144, 296
Jürgen Dendorfer, Michelfeld, in: Handbuch der Historischen Stätten. Bayern I: Altbayern und Schwaben, hg. von Hans-Michael Körner und Alois Schmid unter Mitarbeit von Martin Ott, Stuttgart 2006, S. 491 f.
Fritz Schnelbögl, Auerbach in der Oberpfalz. Aus der Geschichte der Stadt und ihres Umlandes, Ansbach 1976
Robert Steiner, Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel von der Frühzeit bis zum Einsetzen des spitzovalen Throntyps. Darstellung und Abbildungen (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte. Neue Folge, Bd. 40), München 1998, Teil I, S. 169-171, 179 f., 184 f.
Erwin Stoiber, Die Überlieferungssituation der Klöster der Oberen Pfalz im Staatsarchiv Amberg, in: Tobias Appl – Manfred Knedlik (Hg.), Oberpfälzer Klosterlandschaft. Die Klöster, Stifte und Kollegien der Oberen Pfalz (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Oberpfalz, hg. von der Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberpfalz, Bd. 2), Regensburg 2016, S. 16-25
Heinrich Wanderwitz, Die Grafen von Sulzbach, in: Eisenerz und Morgenglanz. Geschichte der Stadt Sulzbach-Rosenberg, hg. von der Stadt Sulzbach-Rosenberg (Schriftenreihe des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sulzbach-Rosenberg, Bd. 12), Bd. I, Amberg 1999, S. 19-49, hier 27, 34-37
Anja Wiesner, Michelfeld, Speinshart und Waldsassen. Die Beziehungen dreier oberpfälzischer Klöster zu weltlichen und geistlichen Gewalten im Mittelalter, Diss. phil. Passau 2001
Hans-Ulrich Ziegler, Das Urkundenwesen der Bischöfe von Bamberg von 1007 bis 1139. Zweiter Teil, in: Archiv für Diplomatik, S. 58-189, bes. 92-94, 116-119
Zitierfähige Signatur: Staatsarchiv Amberg [StAAm], Kloster Michelfeld Urkunden
Kernlaufzeit des Findmittels: 1119 – 1800
Anzahl der Archivalieneinheiten: 700
Für die zwischen der Einführung des Gregorianischen Kalenders 1582 und dem Übergang der Oberen Pfalz an Kurfürst Maximilian I. von Bayern ausgefertigten Urkunden Nr. 547 bis 576 gilt es zu beachten, dass die Datierung je nach Territorialzugehörigkeit im alten oder neuen Stil erfolgte.
22.05.2024
Dr. Maria Rita Sagstetter / Erwin Stoiber