Einleitung
(Vorbemerkung zum Gesamtbestand "Landtag" im Findbuch Landtag 1/1)
Verwaltung der Kammer der Abgeordneten und des Landtags 1919-1934 (General- und Direktorialakten)
1. Verwaltung der Ständeversammlung bzw. des Landtags
Zur Durchführung ihrer Verhandlungen bedurften die Vertretungskörperschaften in Bayern zur Zeit der Monarchie, die Kammer der Reichsräte und die Kammer der Abgeordneten, ebenso wie der Landtag des Freistaates zwischen 1919 und 1933, einer funktionierenden Verwaltung. Diese war jedoch nicht durchgängig einheitlich strukturiert: Es bestanden hierzu mehrere amtliche Stellen nebeneinander.
Als von vornherein selbständige Verwaltungsstelle bestand seit 1819 das Archivariat der Stände des Reiches bzw. (nach 1848) des Landtags. Einen "Archivar" für die Ständeversammlung hatte schon die Konstitution von 1818 vorgesehen. Dieser war sowohl für die Kammer der Reichsräte als auch die Kammer der Abgeordneten zuständig, wurde von beiden Kammern gewählt und legte ihren Direktorien Rechenschaft ab. Neben der Betreuung des reponierten und getrennt verwahrten Schriftguts der Kammern oblag dem Archivar bzw. dem Archivariat noch eine Reihe weiterer Verwaltungsaufgaben, z.B. die Aufsicht über die Bibliothek und das Gebäude des Landtags, das Regierechnungswesen, die Herstellung der Repertorien über die Verhandlungen und der Drucksachenaustausch sowie die Aufsicht auf das gemeinschaftliche Personal.
Die beiden Kammern der Ständeversammlung/des Landtags bis 1918 selbst unterstanden je einem Direktorium, bestehend aus Präsident, Vizepräsident und Schriftführern. Die Direktorien (Präsidien) waren die Anlaufstellen bzw. die handelnden Organe für alle die Kammern berührenden Verwaltungsangelegenheiten. (Getrennt davon zu sehen ist die Bearbeitung der den Kammern zur Verhandlung vorgelegten Materien durch diese Stellen.) Das Direktorium bzw. Präsidium der Kammer der Abgeordneten wurde von Anfang an durch eine Kanzlei bzw. ein Präsidialsekretariat unterstützt, das alle Merkmale einer amtlichen Stelle trug. Eine Erweiterung und Profilierung trat 1874 ein, als für das nun so genannte Büro der Kammer der Abgeordneten ein eigener Vorstand bestellt wurde (analoger Vorgang bezüglich der Kanzlei der Kammer der Reichsräte 1899). Aufgaben des Büros waren v.a. die Kanzleigeschäfte, die Expedition und der Registraturdienst, d.h. die Bildung der Präsidial- bzw. Direktorialakten sowie der Kammerakten, dann Abgabe der letzteren nach Abschluss einer verhandelten Sache an das Archivariat.
Ferner war 1831 bei der Ständeversammlung ein Stenographisches Büro für die wörtliche Aufnahme der Äußerungen in den Kammern eingerichtet worden, das seit 1902 in Personalunion mit dem Stenographischen Institut (seit 1918: Landesanstalt für Kurzschrift) verbunden war. Archivariat, Büro bzw. Kanzlei der beiden Kammern und das Landtags-Stenographenbüro erfüllten bis zum Ende der Monarchie parallel ihre Aufgaben.
Am Nebeneinander änderte sich auch nichts, als 1919 - bedingt durch den Wegfall des Zweikammern-Systems - an die Stelle der beiden Kammerverwaltungen das Amt des Bayerischen Landtags bzw. das Landtagsamt als Dienststelle des Landtagsvorstands bzw. Verwaltungsorgan des Landtags getreten war. Das Archivariat bestand - nunmehr als "Archivariat des Bayerischen Landtags" - auch nach der Zäsur 1918/19 weiter; die Ämter verkehrten als selbständige Behörden untereinander. Nachdem 1932 der Direktor des Landtagsarchivs zum Direktor des Landtagsamts bestellt worden war, führte er beide Ämter in Personalunion. Die Behörden selbst sind nicht, wie vorgesehen, vereinigt worden und bestanden zusammen mit dem Landtags-Stenographenbüro bis zur Liquidierung des Landtags 1933/34 fort.
2. Führung der Landtags-Verwaltungsakten, Übernahme und Bearbeitung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv
Die Verwaltungsakten der Kammer der Abgeordneten einerseits wurden nach 1919 vom Landtagsamt weiter geführt; wenn notwendig, wurden neue Akten gebildet. Diese Verwaltungsakten waren nach Aktenplan in die Gruppen I - XXXIII eingeteilt und wurden als "General- und Direktorialakten" offenbar erst nach dem Zweiten Weltkrieg vom Landtagsamt an das neu gebildete Landtagsarchiv abgegeben. Das Archivariat andererseits betätigte sich in seinem weit gespannten Rahmen als selbständige, aktenbildende Stelle und hatte sein Schriftgut ebenfalls nach einem eigenen Aktenplan in Gruppen geordnet. Im Landtagsarchiv sind die Akten des Archivariats unter Aufgabe ihrer früheren Signaturen als die Gruppen XXXIV - L den oben genannten General- und Direktorialakten angegliedert worden. Zahlreiche Gruppen aus den beiden genannten Blöcken decken sich sachlich, was sich aus den jeweiligen Zuständigkeiten erklärt: So spiegeln sich z.B. Entscheidungen und Genehmigungen bezüglich der Landtagsgebäude und ihrer Einrichtungen, der entsprechende dienstliche Verkehr mit den Ministerien, der Kammern untereinander und mit dem Archivariat in den Verwaltungsakten der Kammer der Abgeordneten bzw. des Bayerischen Landtags (Gruppe XXVII). Sachlich gleiche Akten entstanden aber auch beim Archivariat, weil diesem die Gebäudeverwaltung des Landtags oblag (Gruppe XLI). (Zu den Verwaltungsakten der Kammer der Reichsräte vgl. die Einleitung zu Repertorium Bd. 1).
Mit der Übernahme des älteren Teils des Landtagsarchivs im Jahr 2004 hat das Bayerische Hauptstaatsarchiv die bezeichneten Verwaltungs- und Archivariatsakten übernommen und im Anschluss bearbeitet. Aus Zeit- und Personalgründen kam eine wünschenswerte Neuordnung und Neuverzeichnung nicht in Betracht. Geblieben sind daher vorhandene Mängel der Strukturierung und vor allem der Erschließung (oft zu einfache Betreffe, völlig fehlende Heraushebung interessanter Sonderteile, meist nicht überprüfte und häufig nur mit dem Anfangsjahr angegebeneLaufzeiten). Dagegen konnte die Bearbeitung zum einen dislozierte Verwaltungsakten integrieren, z.B. "ausgelagerte" Protokollbände, Teile der übernommenen "Varia" und Unterlagen aus den im Hauptstaatsarchiv schon früher vorhandenen Kleinbestand "Kammer der Abgeordneten". Zum anderen wurden die Betreffsvorträge des zu den "General- und Direktorialakten" übernommenen Repertoriums wo nötig korrigiert und sprachlich angepasst, Bandfolgen zu einem Betreff aufgeschlüsselt und Laufzeiten dort ergänzt, wo sie überhaupt fehlten. Das so verbesserte Altrepertorium wurde digital erfasst. Der Teilbestand kann daher auch mit modernen Mitteln recherchiert werden. Die schon im Altrepertorium als fehlend bezeichneten Akten sind mit übertragen worden, um zu dokumentieren, dass es zu den fraglichen Angelegenheiten Unterlagen gegeben hat.
3. Inhaltliche Würdigung
Die fehlenden Akten demonstrieren teilweise empfindlichen Lücken. Auch Anfragen zu den Verhältnissen einzelner Abgeordneter können aus dem Teilbestand nur eingeschränkt beantwortet werden, denn die Verwaltungsakten informieren nur knapp über bestimmte personenbezogene Einzelheiten (etwa: Aktengruppen 2 (II), 5 (V), 26 (XXVI)). Darüber hinaus führte die Landtagsverwaltung keine Personenakten über die einzelnen Landtagsmitglieder. Wie sich die Abgeordneten in die Verhandlungen eingebracht haben, ergibt sich aus den vorhandenen Ausschuss-Protokollen, den gedruckten Plenumsverhandlungen samt Beilagen sowie aus den Sachakten der Kammer der Abgeordneten und des Bayerischen Landtags (vgl. Repertorien Landtag 2 und 5). Dagegen lassen sich aus den nachfolgend vorgetragenen Verwaltungsakten die Legitimation der Abgeordneten, dann die Zusammensetzung, Gliederung, Arbeitsweise und Repräsentation des Landtags sowie besondere Ereignisse nachvollziehen, die ihn als ganzen oder einzelne seiner Mitglieder berührten. Zahlreiche Akten betreffen das Hilfspersonal des Landtags. Ferner werden ausgiebig die Arbeitsumstände des Landtags und der Abgeordneten deutlich: z.B. das Landtagsgebäude und die Hilfseinrichtungen wie Archiv, Bibliothek, stenographischer Dienst sowie Verwaltungs- und technische Einrichtungen.
Juni 2007
Renate Herget, Stefan Thiery
Inventar:
Renate Herget und Stefan Thiery (Bearb.), Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Bayerischer Landtag. Kammer der Abgeordneten 1819-1918 und Bayerischer Landtag 1919-1933: Verwaltungsakten, Archivariatsakten; Verhandlungen des Landtags 1919-1933 (Bayerisches Archivinventar 59/4), München 2021