Einleitung
1. Geschichtlicher Überblick
Im Dezember 1918 erließ der Vorsitzende im Rat der Volksbeauftragten, Friedrich Ebert (MSPD), einen Aufruf zur Aufstellung von Freiwilligenverbänden, um das gewaltsame Fortschreiten der Revolution zu verhindern und eine möglichst zuverlässige militärische Machtgrundlage für die republikanische Regierung zu schaffen. Diesem folgte ab Januar 1919 eine große Zahl von demobilisierten Soldaten, Söldnern und studentischen Zeitfreiwilligen, die sich unter der Führung bekannter Offiziere zu Einheiten verschiedenster Größe, Struktur und Ausstattung formierten. Politisch waren die Freikorps Gegner des durch die Revolution geschaffenen Staatsgebildes. Das Abkommen mit der jungen republikanischen Regierung blieb deshalb lediglich ein Zweckbündnis, um radikale Pläne zur Installierung eines Rätesystems in Deutschland zu verhindern und die deutschen Grenzen nach außen zu sichern. Zum Einsatz kamen die Freikorps im Laufe des Jahres 1919 bei den Kämpfen gegen die Rote Armee im Baltikum und zur Sicherung der deutschen Ostgrenze. Im Inneren waren die Freikorps an der gewaltsamen Unterdrückung der linkssozialistischen Unruhen in Berlin im Dezember 1919 und Januar 1920 sowie in Mittel- und Norddeutschland im Frühjahr 1919 als auch an der Niederschlagung der Räterepublik in München und Südbayern im April/Mai 1919 beteiligt.
In Bayern war die Aufstellung überregionaler mobiler Freiwilligenverbände bis zum Februar 1919 vor allem an der Haltung des provisorischen Ministerpräsidenten Eisner und der Soldatenräte gescheitert. Auch die Minister für militärische Angelegenheiten Albert Roßhaupter und Ernst Schneppenhorst lehnten die Bildung von Freikorps in Bayern zunächst ab. Das Freikorps unter dem bayerischen Reichswehroffizier Franz Xaver Ritter von Epp konnte deshalb nur jenseits der bayerischen Grenzen im thüringischen Ohrdruff aufgestellt werden. Nachdem Mitte April der Versuch gescheitert war, mit eigenen Kräften die Räterepublik in Südbayern zu beenden, entschloss sich Ministerpräsident Johannes Hoffmann, die Hilfe der Freikorps in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig deren Bildung in Bayern zu unterstützen. Bei der Einnahme Münchens spielten die bayerischen Freikorps offenbar aber nur eine untergeordnete Rolle. Im Anschluss an die brutalen Kämpfe in der Landeshauptstadt wurden sie im ganzen südbayerischen Raum gegen tatsächliche und vermeintliche linksradikale Bedrohungen eingesetzt. Bis Ende Oktober 1919 wurden die bayerischen Freikorps wieder aufgelöst. Einige Freikorpsmitglieder fanden in der Folge eine Beschäftigung in der Reichswehr oder in der bayerischen Landespolizei, andere schlossen sich zum Teil geheimen, in der Mehrzahl reaktionären Kampfbünden und Wehrorganisationen an.
2. Überlieferung der Freikorps im Kriegsarchiv
Die Überlieferung der Freikorps im Bayerischen Kriegsarchiv setzt sich aus den beiden Beständen "Freikorps Höhere Stäbe" (= Kommandoebene), und "Freikorps" (= Mannschaftsakten) zusammen und umfasst insgesamt 1151 Einzelakten. Die Gliederung der beiden Bestände wurde bei der Detailverzeichnung und Einzellegung weitgehend beibehalten. Die genannten Bestände sind nach den einzelnen Freikorps in Untergruppen gegliedert. Innerhalb der Untergruppen befinden sich Kriegsgliederungen, Akten zur Organisation der Verbände und Einsatzberichte sowie politische Lageberichte am Beginn, Kassen- und Rechnungsakten am Ende. Bei größeren Überlieferungsteilen, vor allem den einzelnen Kassenverwaltungen, wurden weitere, im Findbuch gekennzeichnete Aktengruppen gebildet.
Zusätzlich existiert ein Bestand "Freiwilligenformationen", bei dem es sich ebenfalls um Mannschaftsakten der bayerischen Freikorps handelt. Dieser war bis zur Verzeichnung des vorliegenden Bestandes nicht in die Datenbank aufgenommen worden.
Der Bestand "Freikorps Höhere Stäbe" ist in folgende Untergruppen unterteilt:
1. Ministerium für militärische Angelegenheiten
2. Staatskommissariat
3. Aktenreste
4. Generalkommando Oven
5. Gruppenkommando West - Major v. Seißer; dann: Haas
6. Gruppe A - Donauwörth - Oberst von Haasy
7. Gruppe B - Ingolstadt - Siebert
8. Gruppe C - Regensburg - Schöttl
9. Generalkommando I. Armeekorps - Passau
10. Gruppe Denk
11. Gruppe Hierl (Augsburg) - Stab
12. Detachment Hierl (Grafenwöhr)
13. Detachment Bogendörfer der Gruppe West
14. Detachment Gaul (= mob. Teil des Freikorps Passau)
15. Detachment Heinzmann
16. Detachment Probstmayr
17. Detachment Schaaf der Gruppe C (Regensburg)
18. Detachment Schaaf der Gruppe Hierl (Regensburg)
19. Detachment Schad
20. Detachment Voithenleitner der Gruppe Denk
21. Kommando der Regierungstruppen in Bamberg
22. Kommando der Regierungstruppen in Schweinfurt
23. Nachträge - Die Räterepubliken in Bayern und ihre Niederschlagung
3. Bedeutung des Bestandes
Die Überlieferung der Freikorps im Kriegsarchiv ist in vielerlei Hinsicht für die historische Forschung der unmittelbaren Nachkriegszeit in Bayern von Interesse. Vor allem die Akten der Höheren Stäbe der Freiwilligenverbände enthalten zahlreiche Einschätzungen und Lageberichte zur politischen und militärischen Lage in Bayern von April bis Juni 1919. Eine Vielzahl an Flugblättern und Plakaten, u.a. auch Beutestücke der Roten Armee, berichten über die Wahrnehmung des politischen und militärischen Gegners. Einsatzberichte und detaillierte militärische Anordnungen geben Aufschluss über die militärische Lage und Vorgehensweise der Freiwilligenverbände beim Vorgehen gegen München und in Südbayern. Zahlreiche namentliche Mannschafts- und Offizierslisten dokumentieren die Zusammensetzung der Einheiten und sind sozialgeschichtlich von Bedeutung. Die Akten der einzelnen Kassenverwaltungen und Abwicklungsstellen ermöglichen eine wirtschaftshistorische Einordnung der Freikorps.
4. Weiterführende Literatur
Hans Fenske, Konservatismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg 1969.
Harold J. Gordon, Die Reichswehr und ide Weimarer Republik 1919-1926, Frankfurt/M. 1959.
Ingo Korzetz, Die Freikorps in der Weimarer Republik: Freiheitskämpfer oder Landsknechthaufen? Aufstellung, Einsatz und Wesen bayerischer Freikorps 1918-1920, Marburg 2009.
Nigel H. Jones, Hitler's Heralds. The Story of the Freikorps 1918-1923, London 1987.
Hansjoachim W. Koch, Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918-1923, Dresden 2002.
Hans-Joachim Mauch, Nationalistische Wehrorganisationen in der Weimarer Republik. Zur Entwicklung und Ideologie des "Paramilitarismus", Frankfurt/M., Bern 1982.
Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941, München 1973.
Michael Salewski, Entwaffnung und Militärkontrolle in Deutschland 1919-1927, München 1966.
Hagen Schulz, Freikorps und Republik 1918-1920, Boppard/Rh. 1969.
Matthias Sprenger, Landsknechte auf dem Weg ins Dritte Reich? Zu Genese und Wandel des Freikorpsmythos, Paderborn-München 2008.
Klaus Theweleit, Männerphantasien, 2 Bände, Frankfurt/M. 1978.
Dominik Venner, Ein deutscher Heldenkampf. Die Geschichte der Freikorps 1918-1923. Söldner ohne Sold, Kiel 1998.
Robert G. L. Waite, Vanguard of Nazism. The Free Corps Movement in Postwar Germany 1918-1923, Cambridge 1952.
Warren E. Williams, Die Politik der Alliierten gegenüber den Freikorps im Baltikum 1918-1919, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 12 (1964), S. 147-169.