Vollzug des Bayerischen Archivgesetzes; Kommunale Archivpflege.
Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern und für Unterricht Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 22. Januar 1992 Nrn. I B 1-3002-9/1 und II/10-K 3794-12/176968 (AllMBl S. 139, KWMBl S.73)
I. Allgemeines
1. Kommunale Archive
1.1 Nach Art. 13 Abs. 1 des Bayerischen Archivgesetzes (BayArchivG) vom 22. Dezember 1989 (GVBl S. 710) regeln die Gemeinden, Landkreise und Bezirke und die sonstigen kommunalen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und ihre Vereinigungen die Archivierung der bei ihnen erwachsenen Unterlagen in eigener Zuständigkeit.
1.2 Es gehört zu den Aufgaben jeder kommunalen Körperschaft, für ihren Geschäftsgang zu sorgen und die dafür notwendigen Einrichtungen zu schaffen (Art. 56 Abs. 2 GO). Die Gemeinden sind auch nach Art. 57 Abs. 1 GO i. V. m. Art. 13 Abs. 1 und 2 BayArchivG verpflichtet, für die Archivierung ihrer Unterlagen in einem Archiv Sorge zu tragen; ggf. archivieren die Gemeinden in Archiven, die in kommunaler Zusammenarbeit geschaffen werden (Art. 57 Abs. 3 GO). Entsprechendes gilt für die übrigen kommunalen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
1.3 Landkreise und Bezirke, die keine eigenen Archive unterhalten, haben Unterlagen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen, dem zuständigen staatlichen Archiv zur Übernahme anzubieten (Art. 13 Abs. 3 Satz 1 BayArchivG).
1.4 Die Aussonderungsbekanntmachung der Staatsregierung vom 19. November 1991 (StAnz Nr. 48, AllMBl S. 884), die unmittelbar nur für die staatlichen Stellen gilt, enthält Regelungen über die Aussonderung von Unterlagen und deren weitere Behandlung. Den Gemeinden, Landkreisen und Bezirken sowie den sonstigen kommunalen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und ihren Vereinigungen wird empfohlen, bei der Aussonderung von Unterlagen die Bestimmungen dieser Bekanntmachung sinngemäß anzuwenden.
2. Aufgabe der Archive
2.1 Aufgabe der Archive ist es, die bei der Verwaltung für den laufenden Dienstbetrieb entbehrlichen, jedoch archivwürdigen (Art. 2 Abs. 2 BayArchivG) Unterlagen zu archivieren. Archivierung umfaßt die Aufgabe, das Archivgut zu erfassen, zu übernehmen, auf Dauer zu verwahren und zu sichern, zu erhalten, zu erschließen, nutzbar zu machen und auszuwerten (Art. 2 Abs. 3 BayArchivG).
2.2 Nach Art. 141 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern sind Denkmäler der Geschichte von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts zu schützen und zu pflegen. Das Archivgut (Art. 2 Abs. 1 BayArchivG) sichert als objektive Quelle die rechtsstaatlich gebotene Kontinuität der Verwaltung und ist zugleich die unverzichtbare und unersetzliche Grundlage für die Erforschung der Vergangenheit. Die Archive können dem einzelnen Bürger durch die Bereitstellung wichtiger Daten wertvolle Hilfe leisten.
3. Mitwirkung der staatlichen Archive
Die staatlichen Archive beraten und unterstützen alle nichtstaatlichen Archiveigentümer bei der Sicherung und Nutzbarmachung ihres Archivguts, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht (Art. 4 Abs. 5 Satz 3 BayArchivG). Sie werden dabei von ehrenamtlichen Archivpflegern unterstützt (Art. 5 Abs. 1 BayArchivG).
II. Ehrenamtliche Archivpfleger
4. Bestellung
4.1 Die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns bestellt im Einvernehmen mit dem jeweiligen Landkreis ehrenamtlich tätige Archivpfleger. Im Hinblick auf die Größe eines Landkreises können für sein Gebiet auch mehrere Archivpfleger bestellt werden, deren Zuständigkeitsbereiche gebietsmäßig abzugrenzen sind. Zu Archivpflegern sollen Personen bestellt werden, die auf Grund ihrer Orts- und Fachkenntnisse sowie ihrer Arbeitskraft für dieses Amt geeignet sind. Die Bestellung erfolgt für einen Zeitraum von fünf Jahren; Wiederbestellung ist zulässig. Die Archivpfleger erhalten eine Urkunde über ihre Bestellung und einen Dienstausweis.
4.2 Die Archivpfleger haben über die ihnen bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren; das gilt nicht für Mitteilungen im amtlichen Verkehr und über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Sie dürfen die Kenntnisse der geheimzuhaltenden Angelegenheiten nicht unbefugt verwerten. Sie haben auf Verlangen des Staatsarchivs amtliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen und Aufzeichnungen jeder Art über dienstliche Vorgänge, soweit sie in Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit entstanden sind, herauszugeben, auch wenn es sich um Wiedergaben handelt. Diese Verpflichtungen bestehen auch nach Beendigung des Ehrenamtes fort (vgl. Art. 5 Abs. 2 BayArchivG).
4.3 Die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns und die Staatsarchive weisen die ihnen unterstehenden Archivpfleger in ihre Aufgaben ein und sorgen für eine regelmäßige Fortbildung.
5. Entschädigung, Versicherung
5.1 Die Tätigkeit der Archivpfleger ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden. Die Landkreise werden deshalb gebeten, wie bereits bisher den Archivpflegern eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Die Entschädigung soll sich nicht nur auf den Ersatz von Auslagen erstrecken, sondern auch den Aufwand an Zeit und Mühe angemessen abgelten. Es wird empfohlen, entsprechend Art. 14 a LKrO zu verfahren.
5.2 Die Archivpfleger sind bei der Ausübung ihres Ehrenamts nach den Vorschriften der §§ 537 ff. RVO gegen Unfälle versichert. Zuständiger Träger der Unfallversicherung ist der Bayerische Gemeindeunfallversicherungsverband, weil die Archivpfleger für die Kommunen, insbesondere für die Gemeinden, tätig werden. Da die gesetzliche Unfallversicherung nur Körperschäden ersetzt, werden die Landkreise gebeten, den Archivpflegern auch einen angemessenen Ersatz für Sachschäden zu gewähren, die ihnen in Ausübung ihres Ehrenamts entstehen, insbesondere bei Unfällen mit ihrem privaten Kraftfahrzeug.
6. Zuständigkeit
Die Zuständigkeit der Archivpfleger erstreckt sich auf alle Kommunalarchive, die nicht von Facharchivaren oder hauptamtlich geleitet werden. Die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns kann auch andere Kommunalarchive von der Betreuung durch die ehrenamtlichen Archivpfleger ausnehmen.
7. Beratung der Gemeinden und ihrer Vereinigungen
7.1 Die Archivpfleger beraten die Gemeinden und deren Vereinigungen ihres Zuständigkeitsbereichs in allen Fragen des kommunalen Archivwesens. Sie sollen die Gemeinden in möglichst regelmäßigen Zeitabständen besuchen und dabei alle mit dem Archiv zusammenhängenden Probleme erörtern.
7.2 Die Archivpfleger beraten insbesondere, wenn
- - Archivordnungen oder Benützungsregelungen vorbereitet werden,
- - Mitarbeiter mit der Ordnung oder Betreuung des Gemeindearchivs beauftragt werden,
- - Archivräume geschaffen oder eingerichtet werden,
- - entbehrliche Unterlagen ausgesondert werden und über die Archivierung oder Vernichtung zu entscheiden ist,
- - Grundsätze der Erschließung von Unterlagen aufgestellt werden sollen.
7.3 Festgestellte Mißstände zeigt der Archivpfleger dem Ersten Bürgermeister an und berät die Gemeinde bei der Beseitigung.
8. Beratung und Unterstützung der Rechts- und Stiftungsaufsichtsbehörden
8.1 Die Archivpfleger unterstützen die staatlichen Archive auch bei der Beratung der Rechts- und Stiftungsaufsichtsbehörden bei allen Archivgut betreffenden Entscheidungen (Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 5 Satz 2 BayArchivG).
8.2 Die Landratsämter sollen die Archivpfleger nach Möglichkeit an den regelmäßigen Gemeindebesichtigungen beteiligen und ihre Feststellungen zum Gemeindearchiv in den Besichtigungsbericht aufnehmen. Die Landratsämter sollen ferner den Archivpflegern Gelegenheit geben, bei Dienstbesprechungen der Bürgermeister des Landkreises allgemeine Fragen des gemeindlichen Archivwesens anzusprechen.
8.3 Die Rechtsaufsichtsbehörden prüfen die Ordnung und Unterbringung der bei den kommunalen Gebietskörperschaften erwachsenen Unterlagen in Registratur und Archiv. Mißstände werden im Rahmen des staatlichen Aufsichtsrechts aufgegriffen.
9. Zusammenarbeit mit anderen Stellen
9.1 Auf Grund ihrer Zielsetzung sind Archivpflege und Heimatpflege eng miteinander verbunden. Die Archivpfleger werden deshalb ständig mit den Heimatpflegern Verbindung halten (vgl. die Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus über Heimatpflege in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Großen Kreisstädten vom 17. Februar 1981, MABl S. 97, KMBl S. 158, geändert durch Bekanntmachung vom 1. August 1986, MABl S. 348, KMBl S. 334).
9.2 Die Archivpfleger halten auch Kontakt mit örtlichen Institutionen, die an der Arbeit der Archive interessiert sind, wie z.B. Geschichtsvereine, Heimatvereine, Volkshochschulen oder Schulen.
III. Schlußvorschriften
10. Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsregelung
10.1 Diese Bekanntmachung tritt am 1. März 1992 in Kraft.
10.2 Gleichzeitig treten außer Kraft
- - die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 15. Mai 1952 über Landschaftliche Archivpflege; hier: Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Archivpfleger (BayBSVI I S. 280),
- - die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 2. Mai 1960 über Kommunale Archivpflege (MABl S. 376), geändert durch Bekanntmachung vom 1. Februar 1962 (MABl S. 86),
- - die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 2. Dezember 1971 über Kommunale Archivpflege (MABl S. 1040).
10.3 Die derzeit bestellten Archivpfleger üben ihre Tätigkeit bis auf weiteres aus. Innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung sind alle Archivpfleger nach Nr. 4.1 dieser Bekanntmachung neu zu bestellen.
I.A. Dr. Waltner
Ministerialdirektor
I.A. Hoderlein
Ministerialdirektor