Justiz
Die Konstitution und das Organische Edikt über die Gerichtsverfassung von 1808 schufen eine Dreistufigkeit: auf der unteren Ebene Landgerichte (älterer Ordnung), Stadtgerichte bzw. ab 1818 Kreis- und Stadtgerichte (letztere 1856 durch Bezirksgerichte ersetzt, die in Strafsachen zugleich 2. Instanz waren und 1879 durch die Landgerichte [neuerer Ordnung] abgelöst wurden); auf der mittleren Ebene ein für jeden Kreis (Regierungsbezirk) gebildetes Appellationsgericht (ab 1879 Oberlandesgericht mit erweitertem Sprengel); als oberste Instanz das Oberappellationsgericht in München (ab 1879 Bayerisches Oberstes Landesgericht). Auf der unteren Ebene wurden Justiz und Verwaltung erst 1862 (s. oben Ziff. II 1) getrennt: Die Landgerichte (älterer Ordnung) sowie die in den Städten ab 1862 eingerichteten Stadt- bzw. Stadt- und Landgerichte waren nun reine Justizstellen. 1879 wurden sie im Zuge der Ausbildung der Reichsjustizverfassung in Amtsgerichte umbenannt (s. unten).
In der zurzeit noch als Appellationsgericht Eichstätt aufgestellten bzw. im Oberlandesgericht Nürnberg enthaltenen Überlieferung des Appellationsgerichts für den Rezatkreis bzw. für Mittelfranken (1809 in Ansbach begründet, 1838 nach Eichstätt, 1871 nach Nürnberg verlegt; 1879 Oberlandesgericht Nürnberg mit Landgerichten Ansbach, Eichstätt, Fürth und Nürnberg, zugewiesen ferner Landgerichte Amberg, Regensburg und Weiden i.d. OPf.) dominiert das Aktengut der zivilen Gerichtsbarkeit und über Standessachen (insgesamt ca. 1500 AE, davon 355 Fideikommissakten, 60 lfm).
Seit 1848 ist dem Appellationsgericht die Staatsanwaltschaft (ab 1879 Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht) beigeordnet. Vorhanden sind Berichtsakten der nachgeordneten Staatsanwaltschaften über dort anhängig gewordene Strafverfahren, Verwaltungsakten sowie einige Gefängnis-, Personal-, Auslieferungs- und Gnadenakten (1935–1988; ca. 2200 AE, 25 lfm).
In Abgabegemeinschaft mit dem Schriftgut der Landgerichte Ansbach, Eichstätt, Fürth und Nürnberg – aber nicht dem des Landgerichts Nürnberg-Fürth (eingerichtet 1932) – finden sich noch Materialien der jeweiligen Funktionsvorgänger, weiterhin einige Akten über Verfahren vor den Volksgerichten, Wuchergerichten und Standrechtlichen Gerichten Ansbach, Eichstätt und Ingolstadt, die im Gefolge der Revolution von 1919 entstanden waren (Gesamtumfang ca. 30.500 AE, 360 lfm).
Das Schriftgut der Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten findet sich ebenfalls noch in Abgabegemeinschaft mit der Überlieferung der Landgerichte. Als eigene Bestände aufgestellt sind bislang die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth und die neueren Abgaben der Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten Ansbach und Eichstätt (1944 bis 1973 Zweigstelle der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth; Umfang bislang ca. 18.800 AE, 298 lfm, 1936–1993).
Die Überlieferung der Anklagebehörde bei dem Sondergericht Nürnberg (letzteres 1933 beim Landgericht Nürnberg-Fürth für den Bereich des Oberlandesgerichts Nürnberg eingerichtet) umfasst nicht alle der aufgrund der Vollstreckungsregister nachweisbaren ca. 46.000 Haupt- sowie eingestellten Verfahren bis 1945. Ihre Zuständigkeit resultiert aus den seit 1933 ergangenen Verordnungen der Reichsregierung insbesondere „zum Schutz von Volk und Staat“ (4692 AE, 55 lfm).
Die Überlieferung der 1806 auch in den neubayerischen Gebieten eingerichteten Landgerichte (älterer Ordnung) (unter Einschluss der Stadtgerichte sowie der Herrschafts- und Patrimonialgerichte, letztere bis 1848) wird aus den Abgaben ihrer Nachfolger, der 1879 gebildeten Amtsgerichte herausgelöst (s. auch oben). Die Justizakten einiger Landgerichte (z.B. Beilngries, Cadolzburg, Erlangen) sind als Bestände formiert (670 AE, 23 lfm).
Die Abgaben der Amtsgerichte (ca. 203.300 AE, 2530 lfm) enthalten neben Zivil-, Prozess- und Konkurssachen überwiegend die freiwillige Gerichtsbarkeit. Als Selekte aufgestellt sind umfangreiche Serien von Hypotheken- und Grundbüchern (ca. 16.000 Bände, 1.300 lfm), Preußische Grundakten (ca. 21.000 AE, 670 lfm, angelegt 1801, ca. 1750–[tlw.]1850) sowie Nachlassakten (ca. 409.200 AE, 1422 lfm) und Vormundschaftsakten (ca. 361.800 AE, 800 lfm).
Von den Justizvollzugsanstalten verwahrt das Staatsarchiv neben der Überlieferung der Gefangenenanstalt Rebdorf (75 AE, 1,2 lfm, 1807–1922) vor allem Gefangenenbücher der Gerichtsgefängnisse Ansbach, Eichstätt, Fürth, Gunzenhausen, Neustadt a. d. Aisch, Rothenburg o.d. Tauber und Schwabach sowie Gefangenenakten, Gefangenenbücher und Gefangenenkarteien der verschiedenen Abteilungen der Justizvollzugsanstalten Nürnberg und Ansbach sowie ihrer Vorgängereinrichtungen (2120 AE, 65 lfm, ab 1925).
Das Schriftgut der 73 Notariate im Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg (Sprengel: Mittelfranken, Oberpfalz sowie die niederbayerischen Amtsgerichte Kelheim und Straubing) wird in der Außenstelle Lichtenau verwahrt (ca. 3,75 Millionen AE, nebst Registern, insgesamt ca. 3000 lfm).
Von den Amtsgerichten wurden Unterlagen der auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946 gebildeten Spruchkammern im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Sonderaufgaben abgegeben. Vorhanden sind die Verfahrensakten der 31 mittelfränkischen Spruchkammern, die Meldebögen der Spruchkammern Ansbach-Stadt, Nürnberg I und Rothenburg o. d. Tauber, daneben auch Sachakten einiger Spruchkammern, die später zu den Hauptkammern Ansbach und Nürnberg zusammengefasst wurden, sowie der Berufungskammern Ansbach und Nürnberg (Umfang insgesamt ca. 113.600 AE, 456 lfm, 1945–1950).
Als Abgabe des Oberlandesgerichts Nürnberg sind Einzelfallakten der Erbgesundheitsgerichte Ansbach, Eichstätt und Erlangen vorhanden (3225 AE, 15 lfm). Diese waren bestimmten Amtsgerichten angegliedert und entschieden für den jeweiligen Landgerichtssprengel (Erlangen für Nürnberg-Fürth) über Anträge auf Unfruchtbarkeitsmachung nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933.