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BayHStA, Hochstiftsliteralien Passau 1, fol. 46r
Kommentar
BayHStA, Hochstiftsliteralien Passau 1, fol. 46r
Traditionsnotiz über die Güterübertragung des Edlen Rudolf an den Bischof von Passau, 9. Jahrhundert (vermutl. Passau)

Archivaliengattung: Amtsbuch
Schwierigkeitsgrad: leicht
Unter der Signatur HL (= Hochstiftsliteralien) Passau 1 verwahrt das Bayerische Hauptstaatsarchiv das älteste Traditionsbuch des Hochstifts Passau. In Traditionsbüchern wurden die Notizen über einzelne Übereignungen von Grund, Hörigen und Rechten an ein Kloster oder eine Bischofskirche gesammelt - zur Rechtssicherung, aus Interesse an der eigenen Geschichte und zur Bewahrung der geistlichen memoria der Schenker, derer an Jahrtagen gedacht wurde. In diesem Fall sind Güter erfasst, die vom 6. bis ins 12. Jahrhundert an das Bistum, später Hochstift Passau kamen. Geschrieben haben Hände des 9. bis 13. Jahrhunderts. Hier zu sehen ist eine Traditionsnotiz aus den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts über die Übertragung von Güter in Mauernberg (Murperch)(Textzitat) (Gde. Altheim, Pol. Bezirk Braunau a.Inn, Oberösterreich) durch den Edlen (nobilis vir)(Textzitat) Rudolf. Typisch für die Gattung der Traditionsnotizen ist die einfache, unverzierte Sprache sowie die im Vergleich zu Urkunden sehr kurze Verkündigungsformel oder publicatio (notum sit...(Textzitat)). Traditionsnotizen sind normalerweise nicht besiegelt, werden aber oft, wie auch hier, mit einer umfangreichen Zeugenliste beendet.

Der verwendete Schrifttyp entspricht in weiten Teilen der karolingischen Minuskel, der Standardschrift eines Klosterskriptoriums zwischen dem 9. und dem 12. Jahrundert. Allerdings hat der Schreiber auch Schriftelemente verwendet, die man aus den Urkunden der Herrscherkanzleien kennt: Schleifen an den Oberlängen von s und f und Buchstabenverbindungen vor allem bei st. Es ist ist nicht unmöglich, dass für das Rechtsgeschäft tatsächlich eine Vorgängerurkunde existierte. Vielleicht möchte der Schreiber aber auch nur etwas von der machtvollen Aura der Herrscherurkunden in das Traditionsbuch bringen, das für die kirchliche Gemeinschaft in den ersten Jahrhunderten schließlich das zentrale Dokument war. An der Schriftgestaltung merkt man aber auch, dass das Buch tatsächlich zum Nachschlagen benutzt wurde: An den Seitenrändern wurde die Traditionsnotiz mit Vermerken zum leichteren Auffinden von Orts- und Personennamen versehen.

Typisch für das Latein des frühen und hohen Mittelalters ist die Verwendung von gräzisierenden "Nomina Sacra"-Abkürzungen (für episcopus(Textzitat), Christianus(Textzitat)), aber auch vom klassischen Latein abweichende Schreibungen wie hier karitati(Textzitat) (statt klassisch caritati) sind keine Seltenheit.
Entzifferung

(Absatz Beginn)
(unbekannter Schreiber 1:) Notum sit u(est)rę karitati. qualit(er) quida(m) nobilis uir Rovdolf
no(m)i(n)e p(ro) amore d(e)i (et) p(ro)  remedio animę suę ac patris sui
Rovdolfi tale(m) p(ro)pri(et)ate(m) quale(m) ad murperch habuit. p(re)ter     (unbekannter Schreiber 2:) Murperch
(unbekannter Schreiber 1:) una(m) media(m) hoba(m) in osterenp(er)ge. qua(m) cuida(m) uiduę Vue
Zaluna)  .N(omine). dedit (et) area(m) una(m) ministri sui machelmi adfors
tarun. ut eo die sepe (et) edificiis circu(m)data erat. cu(m) om(n)ib(us)
appendiciis. (et) iure ad predicta(m) hereditatem respicientibv(s)
potestatiue. (et) absq(ue) om(n)i contradictione in c(on)spectu Fr(atr)is sui
orendiles. tradidit in manu(m) Berangeri ep(iscop)i (et) militis sui     (unbekannter Schreiber 2:) Beringer(us) ep(iscopu)c  
10 (unbekannter Schreiber 1:) ChaZilini. eo scilic(et) tenore. ut ide(m) chaZili traderet in aram 
11 s(an)c(t)i Stephani. unde pri(us) temporib(us) x(h)p(ist)iani ep(iscop)i (et) Rovdolfi
12 patris sui. iniusto concambio diu alienata erat. 
13 Isti s(unt) testes. Iacob. Reginolt. Aribo. Orendil. Grim. Gu(m)po.
14 Engilscalch. Hitto. Racco. OvZi. Ratolf. Ovdalrich. Selprat.
15 Ista traditio a p(re)dicto chaZilino peracta e(st). In die s(an)c(t)o
16 cenę d(omi)ni. cora(m) frequentia militu(m) (et) clerico(rum). (et) om(n)is fami
17 lię. Hui(us) v(er)o tradicionis testiu(m). no(m)i(n)a hic subt(us) s(unt) notata.
18 Temo com(es). Gerolt com(es). Ovdalrich com(es). Heinrich. Temo.
19 Ite(m) Temo. Hartman. Aribo. Altob). Reginh(ar)rt. Heimo. Pâto.   (Absatz Ende)

          
    a) Der Schreiber verwendet für z(Textzitat), auch innerhalb von Worten, nur den Großbuchstaben.
    b) In Aribo. Alto.(Textzitat) stehen zwei verschiedene Formen des Groß-A direkt nebeneinander.